Unmittelbar nach dem Rx-Boni-EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 ergriff Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) im Bundesrat eine Gesetzesinitiative für ein Rx-Versandverbot – noch bevor Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aktiv wurde. Jetzt drängt sie Gröhes Nachfolger Jens Spahn (CDU) zur Umsetzung. Eine eigene Initiative plant Huml aber nicht. Auch die SPD-geführte Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz fordert ein Verbot des Rx-Versandhandels.
„Im Berliner Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, dass zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung auch Apotheken vor Ort gehören. Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein. Ich werde auch in diesem Punkt auf die Umsetzung des Koalitionsvertrags dringen“, sagte Huml gegenüber APOTHEKE ADHOC. Auf die Frage, ob sie selbst über den Bundesrat erneut aktiv werden wolle, antwortete Huml nicht.
Am 14. Oktober finden in Bayern Landtagswahlen statt. Dort kämpft der neue Ministerpräsident Markus Söder (CSU) um die absolute Mehrheit. Derzeit liegt die CSU nur bei 43 Prozent. Bei der letzten Landtagswahl 2013 reichten der CSU 47,7 Prozent zur Alleinregierung. Damals spielte die AfD aber noch keine Rolle. Jetzt liegt die rechtspopulistische Partei bei in den Umfragen bei 12 Prozent.
Ob ein offensives Eintreten für ein Rx-Versandverbot für die CSU im Wahlkampf ein Gewinnerthema sein kann, ist schwer abschätzbar. Beim „Tagesgespräch“ des Bayerischen Rundfunks jedenfalls äußerte sich kürzlich die Mehrheit der zugeschalteten Gäste negativ zum Rx-Versandverbot. Möglicherweise will man auch deswegen die Initiative für einen neuen Anlauf Spahn überlassen.
Die SPD-geführte Landesregierung von Rheinland-Pfalz geht davon aus, dass es ungeachtet der veränderten Zusammensetzung im Bundesrat wieder eine Mehrheit für ein Rx-Versandverbot geben wird. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) jedenfalls will pro Rx-Versandverbot stimmen: „Im rheinland-pfälzischen Koalitionsvertrag setzt sich die Landesregierung explizit für das bewährte System der inhabergeführten Apotheken vor Ort ein und begrüßt deshalb das Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums – wie die Mehrheit der Länder – im Sinne des Erhalts einer guten und flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“, teilte das Sozialministerium von Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) auf Anfrage mit. Rheinland-Pfalz plane hierzu keine Initiative, „begrüßt aber, wie bereits geschrieben, das Vorhaben des Bundes“.
Dreyer hatte für die SPD in den zurückliegenden Koalitionsverhandlungen die AG Gesundheit geleitet. In Abwesenheit von Verbotsgegner Karl Lauterbach (SPD) war in letzter Minute die Absichtserklärung zur Umsetzung eines Rx-Versandverbotes aufgenommen worden.
Parteipolitisch ist die Pro-Verbotshaltung der Ampel-Koalition in Mainz bemerkenswert. Auf Bundesebene lehnen Grüne und FDP ein Rx-Versandverbot ab. Die SPD-Bundestagsfraktion stemmte sich in der letzten Wahlperiode gegen den Gesetzentwurf von Minister Gröhe.
Zuvor hatte sich der Bundesrat im November 2016 mit einer knappen Mehrheit auf Antrag Bayerns für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen. Ob es dafür in der aktuellen Zusammensetzung tatsächlich eine Mehrheit gäbe, bliebe abzuwarten. In NRW regiert seit Mai 2017 eine Union/FDP-Koalition und in Schleswig-Holstein seit März 2017 eine Jamaika-Koalition.
In Kiel bekennt sich zwar die Jamaika-Koalition zu Vor-Ort-Apotheken. Dort stellt die FDP mit Heiner Garg den Gesundheitsminister. Auch der NRW-Vertrag betont die Rolle der Apotheken. Dort wird das Ressort Gesundheit von Karl-Josef Laumann (CDU) geführt. Wie beide Landesregierungen in dieser Frage im Bundesrat abstimmen würden, ist nicht festgelegt.
„Neben der ärztlichen Versorgung setzen wir uns dafür ein, dass auch Apotheken in der Fläche erhalten bleiben“, heißt es im Koalitionsvertrag für Schleswig-Holstein. Dort bilden CDU, FDP und Grüne die Landesregierung. „Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit guten medizinischen und pflegerischen Leistungen stellt für uns eine zentrale Aufgabe dar“, so der Koalitionsvertrag. Versprochen wurde eine vollständige Bestandsaufnahme der Versorgungssituation.
Die Sicherstellung der wohnortnahen, ambulanten medizinischen Versorgung in Schleswig-Holstein sei eine der größten Herausforderungen, die nur gemeinsam mit freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Apothekerinnen und Apothekern denkbar sei. Wie Landapotheken gesichert oder angesiedelt werden könnten, verrät der Koalitionsvertrag aber nicht.
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP in NRW bekannte sich im Kapitel über die Freien Berufe zu Apotheken: „Gerade für den ländlichen Raum sind die Praxen, Kanzleien oder Apotheken ein unverzichtbarer Teil der Infrastruktur. Wir setzen uns für eine Gesundheitsversorgung ein, die den Bürgerinnen und Bürgern in der höchstmöglichen Qualität und Erreichbarkeit zur Verfügung steht“, heißt es darin pauschal weiter.
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