50 Meter entfernt vom geplanten DocMorris-Arzneimittelautomaten in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt hängt jetzt ein weiterer Briefkasten – nicht für normale Post, sondern für Verordnungen. Die neue Rezeptsammelstelle wird von zwei Apotheken aus den benachbarten Ortschaften betrieben. Die Genehmigung liegt seit vergangenem Freitag vor. Bereits am Montag wurde der weiße Briefkasten an der Fassade des Frisörladens schräg gegenüber der leerstehenden Brunnen-Apotheke montiert. Hüffenhardts Bürgermeister Walter Neff vermutet die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg hinter der plötzlichen Eile. Und DocMorris freut sich.
„Wir begrüßen, dass sich die Versorgung für die Bürger von Hüffenhardt verbessert. Die Genehmigung der Rezeptsammelstelle bestätigt unsere Auffassung, dass es zuvor ein Versorgungsproblem in der Gemeinde gegeben hat“, so DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller. Bislang sei dies von der organisierten Apothekerschaft im Ländle bestritten worden.
Auch das Gesundheitsministerium des Landes sah bislang keine Gefahr. „Speziell in Hüffenhardt sehe ich die Versorgung der Bevölkerung nach wie vor auf sicherem Niveau gewährleistet“, schrieb im Januar Ministerialdirektor Jürgen Lämmle an Hüffenhardts Bürgermeister Neff. Der geplante Arzneimittelautomat gefährde dagegen die gewachsene Struktur der Apothekenlandschaft.
Laut den Richtlinien der Kammer für Rezeptsammelstellen gilt ein Ort oder Ortsteil als abgelegen, „wenn die Straßenentfernung vom Ortsmittelpunkt zur nächstgelegenen Apotheke mindestens 6 km beträgt“. Das ist in Hüffenhardt knapp nicht der Fall. Ob auch ein Ort als abgelegen gilt, der weniger als sechs Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt ist, richtet sich jedoch auch nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen.
Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, welche Verkehrsverbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen. Ein Ort gilt nach den LAK-Richtlinien „als abgelegen, wenn nicht täglich mindestens je einmal vormittags und nachmittags die Möglichkeit besteht, den Weg zur nächstgelegenen Apotheke oder nächst erreichbaren Apotheke und zurück während der Öffnungszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von circa einer Stunde zurückzulegen“.
Schenkt man den Angaben von Ministerialdirektor Lämmle Glauben, gibt es aber in Hüffenhardt kein Transportproblem: Die nächste Apotheke sei „tagsüber mit öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig innerhalb von knapp 25 Minuten zu erreichen“, so der Chef-Beamte des Gesundheitsministeriums.
Die Rezeptsammelstelle ist jedenfalls eingerichtet und wird wechselweise von der Rock-Apotheke in Bad Rappenau und der Apotheke in Haßmersheim betrieben. Wer sein Rezept oder seinen Bestellzettel bis 11 Uhr vormittags einwirft, wird am selben Tag bis etwa 17 Uhr von pharmazeutischem Fachpersonal einer der beiden Apotheken beliefert. „In unseren Augen ist das die einzig gesetzlich einwandfreie Möglichkeit, um die Versorgung mit Medikamenten sicher zu stellen“, sagt Apotheker Gerhard Büttner aus Haßmersheim.
Hüffenhardts Bürgermeister Neff hat von der Rezeptsammelstelle erst erfahren, nachdem APOTHEKE ADHOC über die Ankündigung der Kammer berichtet hatte, in Kürze eine entsprechende Genehmigung zu erteilen. „Danach habe ich eine E-Mail von der Landesapothekerkammer erhalten“, so Neff. Von wem die Initiative für die Rezeptsammelstelle ausgegangen sei, weiß der Bürgermeister nicht. Er hat allerdings die Vermutung, dass die LAK nicht ganz unbeteiligt war.
An der Zusammenarbeit mit DocMorris ändert sich für Neff dadurch nichts. Die Vorbereitungen zur Mietvertragsunterzeichnung laufen unverändert weiter. In den Räumen der ehemaligen Brunnen Apotheke will DocMorris im Sommer einen Arzneimittelautomaten aufstellen. Die Kunden sollen in einem schalldichten Videoterminal Kontakt zum pharmazeutischem DocMorris-Personal aufnehmen können, das von Heerlen in den Niederlanden aus Patienten berät und nach Prüfung des Rezepts die Medikamente automatisch ausgeben will. Ein Mitarbeiter vor Ort soll das System erklären. Der Automat wird laut DocMorris rund 8000 Packungsplätze sowie einen gekühlten Bereich haben. Ausgegeben werden OTC- und Rx-Präparate.
Die Brunnen-Apotheke versorgte über 30 Jahre lang nicht nur die 2000 Einwohner Hüffenhardts und eine angrenzende Gemeinde mit nochmals 1500 Menschen. Das 135 Plätze umfassende Wohn- und Pflegeheim der Gemeinde gehörte ebenfalls zur Stammkundschaft. Trotzdem fand sich nach langer Suche kein Nachfolger für die Weiterführung der Apotheke.
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