Dr. Hubertus Cranz

Apotheker als EU-Pharmalobbyist

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Berlin -

Dr. Hubertus Cranz hat es nach seinem Pharmaziestudium nicht in die Offizin verschlagen. Seit vielen Jahren ist er Hauptgeschäftsführer des europäischen Pharmaverbands AESGP. Damit lobbyiert er in Brüssel für die OTC-Industrie. Doch den Kontakt zur Basis hat Cranz nicht verloren.

„Schon früh hatte ich ein Interesse an Arzneimitteln, ihre Wirkung auf Gesundheit und Krankheit hat mich fasziniert.“ Im Jahr 1977 begann er sein Pharmaziestudium in Tübingen, da war er 20 Jahre alt. „Doch ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mir von Vornherein nicht sicher war, ob ich mein ganzes Leben in der Apotheke stehen wollte.“

Während seiner Studentenzeit gewann er auch Einblicke in die Praxis. So stand er 1981 zunächst für sechs Monate in der Offizin. „Das war schon eine schöne Zeit. Ich lernte das Management einer Apotheke kennen. Aber auch der direkte Kontakt zu Menschen hat mir gefallen. Man kann im persönlichen Kontakt mit dem Kunden unheimlich viel Gutes tun.“ Viel mehr prägte Cranz jedoch das anschließende Praktikum in der Pharmaindustrie, bei Ciba und Bayer. „Ich hatte hier gute Vorgesetzte, bekam gleich Aufgaben und wurde schnell in Projekte integriert. So bekam ich einen schönen Einblick in die pharmazeutische Welt.“

Doch auch für juristische und wirtschaftliche Themen schlug sein Herz. So begann er parallel zum Pharmaziestudium auch noch ein VWL-Studium. Nach einer kurzen Unterbrechung wechselte er zu den Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen. „Das ließ sich gut machen.“

Zunächst blieb Cranz in der akademischen Welt, um zu promovieren. Hier half ihm der Zufall. „In Düsseldorf wurde die Pharmazie 1981 gerade neu etabliert. Das war mein Glück, denn an anderen Universitäten gab es nur ganz selten Vollzeitstellen.“ Vier Jahre später wechselte er nach Kiel ins Institut für Gesundheits-System-Forschung. Dieser Zweig der Gesundheitswissenschaften beschreibt und analysiert die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Gesundheitswesen, Gesellschaft und Umwelt – die ideale Grundlage für die Gesundheitspolitik. „Bei aller Dankbarkeit für meine Düsseldorfer Zeit war Kiel genau das, was ich wollte. Für meine persönliche Entwicklung war das ein ganz zentraler Schritt. Ohne die Zeit in Kiel wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin.“

Gegründet wurde das Institut vom CDU-Politiker Fritz Beske, von 1971 bis 1981 Staatssekretär im Sozialministerium von Schleswig-Holstein und langjähriger Vorsitzender des gesundheitspolitischen Ausschusses seiner Partei. „Er wollte die gesamte Diskussion in der Gesundheitspolitik rationalisieren“, erinnert sich Hubertus Cranz. „Damals, in den Zeiten vor dem Internet, war es wesentlich schwerer, die Fakten gut zusammenzustellen. Da passte ein Mann wie ich mit wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund und Erfahrung in Pharmaprojekten gut dazu.“

Beske hatte ein kleines, vierköpfiges Team um sich versammelt, alle von ihnen seien später in Führungspositionen gekommen. „Im Institut bekam ich eine volle Breitseite an Training. Ich habe hier brutal viel gelernt, wie Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie funktioniert.“ Cranz schrieb viele Gutachten und publizierte gefühlt etwa alle drei Monate ein Buch, das sei völlig normal gewesen, sagt er. „Und ich bekam Gelegenheit, durch die Lande zu ziehen.“

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) wurde auf das junge Talent aufmerksam und machte ihm 1988 ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte. „Zu dieser Zeit begann der Bereich der Selbstmedikation immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Man suchte jemanden, der das betreut.“ Schweren Herzens zog er von Kiel nach Frankfurt, damals Sitz des BPI. Nach kurzer Zeit bekam er auch den Bereich Forschung und Entwicklung mit dazu. „Jetzt wurde ich so richtig gefordert. Ich musste mich in die Verbandsstrukturen und ins Management einfinden, politische Ziele definieren und Aktionen vorbereiten“, erzählt Cranz.

So erarbeitete er auch inhaltliche Vorlagen für den BPI-Vertreter in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. „Man sah in mir ein gewisses Potenzial und machte mich zu seinem Ferienvertreter. Damals war es noch viel wichtiger, als Verband vor Ort Präsenz zu zeigen. Man führte viel mehr Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten als heute. So kam ich in die Lobbyarbeit.“

Bald schon weckte er internationales Interesse. Der Europäische Dachverband der Selbstmedikationsindustrie (AESGP) suchte einen neuen Hauptgeschäftsführer und lockte Hubertus Cranz nach Paris. „Ich hatte Französisch in der Schule, es war schon ein Traum, hier zu arbeiten.“ Doch merkte er schnell, dass der Verband einen Umzug brauchte, um seine Zukunft zu sichern. „Paris ist toll, aber Brüssel ist besser, wenn man an seiner Relevanz arbeiten will. Man muss eng am politischen Geschehen bleiben.“

AESGP fand neue, etwa 500 Meter von der EU-Kommission gelegene Büros. „Nur ein großer Park trennt uns von den wichtigen Entscheidungsträgern, eine bessere Lage hätten wir nicht finden können. Wir sind im Zentrum des Geschehens.“

Der Verband repräsentiert die Hersteller von Selbstmedikationsmitteln auf europäischer Ebene. „Dieser Bereich macht 50 Prozent des Arzneimittelmarktes aus“, erläutert der Hauptgeschäftsführer. Nicht-verschreibungspflichtige Medikamente zählen dazu ebenso wie Nahrungsergänzungsmittel. In den letzten fünf Jahren hätten auch substanzbasierte Medizinprodukte an Bedeutung gewonnen, so Cranz. „Das sind Produkte, die keine pharmakologische und chemische, sondern eine physikalische Wirkung haben.“ Dazu zählten etwa Salzwassertropfen, Hämorrhidensalben oder selbst befeuchtende Augentropfen.

Für die Arbeit an den Schaltstellen der europäischen Macht kam ihm sein Studium sehr zugute. „Für Politiker ist Sachverstand wichtig. Ich verstehe, was in den Produkten steckt. Es fällt mir leicht, jedem zu jeder Zeit gut zu erklären, was wir als Verband repräsentieren.“ Wer nicht aus dem naturwissenschaftlichen Bereich komme, tue sich da wesentlich schwerer.

Eine große Herausforderung sei es, den Service auf das Gegenüber anzupassen und die richtige Form und Wortwahl zur richtigen Zeit zu wählen. „Politiker haben häufig nicht sehr viel Zeit, da müssen wir innerhalb von drei bis vier Minuten auf den Punkt kommen“, erläutert Hubertus Cranz. „Ihre Mitarbeiter dagegen sind sehr an den Details interessiert.“

Der Markt der Selbstmedikationsmedikamente ist ständig in Bewegung, und die AESGP hält mit. „Das hat ganz andere Dimensionen als vor 25 Jahren. Bei vielen chronischen Erkrankungen kann man viel mehr tun als früher. Für Heuschnupfen zum Beispiel sind immer mehr Substanzen auf den Markt gekommen. Zudem wollen die Menschen immer mehr für ihre Gesundheit tun, und so wächst das Interesse an unseren Produkten. Wir wollen diesen Bereich immer mehr ausweiten und dafür sorgen, dass noch mehr Medikamente aus der Verschreibungspflicht entlassen werden.“

Den Kontakt zur Basis hat er nicht verloren. „Ich habe immer wieder mal Bekannte in deutschen Apotheken vertreten, natürlich unentgeltlich, nicht sehr häufig, aber auch in jüngerer Vergangenheit.“ Sein Studium wird immer die Basis für seine Arbeit bleiben „Ich muss ehrlich sagen, dass mir die pharmazeutische Ausbildung eine Menge Selbstvertrauen gegeben hat.

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