Corona-Kosten

Höhere Kassenbeiträge: Die Party ist vorbei APOTHEKE ADHOC, 04.05.2020 11:28 Uhr

Die Krankenkassenbeiträge könnten bald wieder steigen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Die Wirtschaftskrise infolge der Corona-Pandemie und die steigenden Ausgaben des Gesundheitssystems zur Bewältigung der Krise werden aller Voraussicht nach zu steigenden Krankenkassenbeiträgen führen. Gesundheitsökonom Professor Dr. Wolfgang Greiner, der auch Mitglied des Sachverständigenrates des Gesundheitsministeriums ist, rechnet jedenfalls mit einem deutlichen Anstieg im kommenden Jahr. CSU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel will zum Ausgleich stattdessen den Steuerzuschuss erhöhen. Die Diskussion um die Kassenfinanzen ist damit eröffnet.

„Wenn die Wirtschaft schrumpft, schrumpfen auch die privaten Einkommen und damit die Einnahmen der Kassen. Wir werden über höhere Beiträge sprechen müssen, wenn die Krise vorbei ist. Da sprechen wir von deutlich über 16 Prozent statt der bisherigen durchschnittlich 15,7 Prozent“, sagte Greiner der „Bild“-Zeitung.

Der Grund: Die Kliniken in Deutschland sind wegen der Corona-Vorratshaltung unterbelegt und schreiben tiefrote Zahlen. Und die Wirtschaft schlittert in eine Rezession, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit steigen und damit sinken die Beitragseinnahmen der Kassen. „Eine solche Hochleistungsmedizin funktioniert aber nur mit einer Hochleistungsvolkswirtschaft“, sagte Greiner, der zum siebenköpfigen Sachverständigenrat gehört, der das Haus von Minister Jens Spahn (CDU) zu Entwicklungen im Gesundheitswesen berät. Knapp 400 Milliarden Euro fließen jährlich ins Gesundheitssystem, alleine rund 250 Milliarden Euro über die Beiträge der Krankenkasse und 14,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

Der GKV-Spitzenverband wollte sich noch nicht zu Greiners Prognose äußern: „Sehr vereinzelt können Aspekte etwa für den Bereich Ausstattung von Krankenhäusern geschätzt werden. Ein vollständiges Bild ergibt sich damit nicht“, so eine Sprecherin. Es fehle beispielsweise an Einschätzungen für die medizinischen Versorgungskosten von Patienten. Das werde erst retrospektiv zu bewerten sein: „Klar ist aber auch: Spätestens im Herbst brauchen wir selbstverständlich einen Kassensturz.“ Im Herbst legt ein Expertengremium den durchschnittlichen Zusatzbeitrag fest.

Der allgemeine Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt bei 14,6 Prozent und ist für die meisten Krankenkassen nicht kostendeckend. Deshalb müssen die Krankenkassen einen Zusatzbeitrag berechnen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich zahlen den Zusatzbeitrag. Der Zusatzbeitrag liegt 2020 zwischen 0,39 Prozent und 1,5 Prozent. Zum ersten Januar 2020 bleiben die Krankenkassen-Beiträge in der Regel stabil.

Auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Erwin Rüddel (64, CSU), sieht das Gesundheitswesen als doppelt Betroffenen: höhere Ausgaben und sinkende Einnahmen. Ebenfalls gegenüber „Bild“ warnte Rüddel vor höheren Beiträgen: „Steigende Krankenkassenbeiträge und damit steigende Lohnnebenkosten würden in einer Rezession genau die falschen Impulse setzen.“ Man müsse über Steuerzuschüsse sprechen, da Corona eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung sei. „Leistungsausweitungen wie in den letzten Jahren kann es meiner Meinung nach so schnell nicht wieder geben“, so Rüddel. Das sieht Gesundheitsökonom Greiner sehr ähnlich: „Unsere Gesundheitspolitiker sind Spardebatten gar nicht mehr gewohnt. Jahrelang ist das System um drei bis vier Prozent im Jahr gewachsen – aber diese Party ist jetzt vorbei.“

Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist im vergangenen Jahr ins Minus gerutscht. Unter dem Strich stand ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nach vorläufigen Zahlen mitteilte. Im Jahr 2018 war noch ein Überschuss von zwei Milliarden Euro verbucht worden. Die Kassen haben damit mehr ausgegeben, als sie durch Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds eingenommen haben. Das war politisch gewollt, denn die Finanzreserven betrugen Ende 2019 rund 19,8 Milliarden Euro – was im Schnitt immer noch knapp einer Monatsausgabe und damit etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve entspreche, erläuterte das Ministerium. Insgesamt stiegen die Ausgaben der Krankenkassen im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent auf 251,9 Milliarden Euro, die Einnahmen bei niedrigeren Zusatzbeiträgen um 3,8 Prozent auf 250,4 Milliarden Euro. Die Leistungsausgaben stiegen um 5,6 Prozent, die Verwaltungskosten gingen hingegen um 1,9 Prozent zurück.