Regelmäßig sorgt die Versorgung von Patienten mit Hilfs- und Heilmitteln für Ärger: Die Kassen beklagen steigende Kosten.Patientenvertreter bemängeln regelmäßig schlechte Billigprodukte insbesondere in der Inkontinenzversorgung. Jetzt hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den versprochenen Gesetzentwurf zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) vorlegt: Danach sind Exklusivverträge mit nur einem Anbieter und einem Produkt künftig verboten. Und die Auswahl darf sich nicht mehr ausschließlich am Preis orientieren. Qualitätsaspekte müssen berücksichtigt werden.
Am Instrument der Ausschreibungen will der Bundesgesundheitsminister nicht rütteln. Gröhe will die Krankenkassen aber verpflichten, bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen von Ausschreibungsverträgen zur Hilfsmittelversorgung neben dem Preis auch andere Kriterien, wie Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung insbesondere für Menschen mit Behinderungen, Lieferbedingungen sowie Betriebs- und Lebenszykluskosten einzubeziehen. „Die Gewichtung der Zuschlagskriterien, die nicht die Kosten oder den Preis betreffen, darf 40 Prozent nicht unterschreiten“, heißt es im jetzt vorgelegten Referentenentwurf.
Exklusiv-Verträge mit nur einem Anbiete und einem Produkt sind künftig verboten. Den Krankenkassen wird vorgegeben, auch bei Versorgungen, die im Wege von Ausschreibungsverträgen zustande gekommen sind, „ihren Versicherten Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen mehrkostenfreien Hilfsmitteln einzuräumen“. Um die Wahlrechte der Versicherten zu stärken, sieht das Gesetz vor, dass die Krankenkassen ihren Versicherten Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen mehrkostenfreien Hilfsmitteln einräumen müssen.
Dies kann dadurch umgesetzt werden, dass der Ausschreibungsgewinner vertraglich dazu verpflichtet wird, eine Mindestanzahl von mehrkostenfreien Hilfsmitteln vorzuhalten. Die Krankenkassen können aber auch mehreren Leistungserbringern den Zuschlag erteilen („Mehr-Partner-Modell“), zwischen denen sie den Versicherten ein freies Wahlrecht einräumen.
Um die häufig kritisierte Qualität der Heil- und Hilfsmittelversorgugn zu steigern, wird für die Vergütungsvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Verbänden der Heilmittelerbringer der Grundsatzes der Beitragssatzstabilität als Obergrenze aufgehoben. Damit soll den „Vertragspartnern im Heilmittelbereich eine größere Flexibilität bei der Vereinbarung der Heilmittelpreise ermöglicht werden“, so der Gesetzentwurf. Die Vertragspartner würden so in die Lage versetzt, eine „angemessene Vergütung zu vereinbaren“. Muss bei den Preisverhandlungen die Schiedsstelle eingreifen, muss eine Klärung innerhalb von drei Monaten erfolgen.
Erst kürzlich hatte der GKV-Spitzenverband vor einem weiteren massiven Ausgabenanstieg für Heilmittel gewarnt. Diese Leistungsausgaben legten seit Jahren überdurchschnittlich zu: 2013 um 5,1 Prozent, 2014 um 8,2 Prozent und 2015 um 6,3 Prozent. Nun führten etwa die demografische Entwicklung sowie die im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz beschlossenen Regelungen zu Preisuntergrenzen für Heilmittel zu weiteren Vergütungssteigerungen, so der GKV-Spitzenverband.
Um zu erproben, ob die sogenannte „Blankoverordnung“, bei der die Heilmittelerbringer unter bestimmten Bedingungen selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen, für eine Überführung in die Regelversorgung geeignet ist, wird in jedem Bundesland und für alle Heilmittelerbringer des SGB V ein Modellvorhaben durchgeführt.
Außerdem wird der GKV-Spitzenverband verpflichtet, bis zum 1. Januar 2019 sämtliche Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Der GKV-Spitzenverband muss zudem bis zum 1. Januar 2018 eine Verfahrensordnung beschließen, in der die Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses geregelt wird. Das Hilfs- und Heilmittelverzeichnis ist überaltet und mit 39 Verzeichnissen mit 40.000 Produkten kaum zu durchschauen.
Die Krankenkassen werden verpflichtet, bei Verträgen zur Hilfsmittelversorgung die Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Pflichten durch die Leistungserbringer zu überwachen. Dazu dürfen sie Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen durchführen. Korrespondierend werden die Leistungserbringer verpflichtet, den Krankenkassen die für die Prüfungen erforderlichen Informationen und Auskünfte zu erteilen.
Künftig sollen die Interessenvertretungen der Patienten bei der Umsetzung qualitätssichernder Maßnahmen durch die Krankenkassen stärker einbezogen werden.
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