Georg Dribusch ist stinksauer. Papierstapel und hunderte Euro Kosten, nur damit er als Service für seine Kunden ein paar Inkontinenzunterlagen abgeben darf. Der Paderborner Apotheker erregt sich über die aus seiner Sicht „überbordende Bürokratie“, die die Präqualifizierung alle paar Jahre mit sich bringt.
„Das wird immer doller, es ist schon grotesk.“ Dribuschs Stimme überschlägt sich fast, als er auf das Thema zu sprechen kommt. „Wir haben gar nicht viel, Inkontinenzvorlagen, Blutzuckermessgeräte und was halt so zum Apothekenbetrieb gehört, aber nicht apothekenpflichtig ist“, erklärt der Inhaber der Apotheke im TAO-Gesundheitspark in Paderborn.
Um GKV-Versicherte mit Hilfsmitteln wie diesen zu versorgen, müssen Apotheken an einem Versorgungsvertrag zwischen Krankenkasse und Apothekerverband teilnehmen. Damit ist es jedoch nicht getan: Bevor eine Apotheke Bettbeutel oder Kompressionsstrümpfe auf Kassenkosten abgeben kann, muss sie ein sogenanntes Präqualifizierungsverfahren durchlaufen. „Das gilt für einen Apotheker genauso wie für einen Fahrradladen, der Rollatoren baut“, sagt Dribusch. Allein der Begriff bringt ihn schon zur Weißglut: „Was soll denn eine Vor-Qualifizierung sein? Ein Apotheker mit seinem Examen muss nich vor-qualifiziert werden, er IST bereits qualifiziert, Hilfsmittel abzugeben!“
Umso unnötiger erscheint ihm deshalb der Aktenstapel, den er dafür besorgen und einreichen muss. Wäre das nur einmalig und umständlich – geschenkt. Aber Dribuschs Unmut erwächst vor allem darüber, dass er diese Präqualifizierung alle fünf Jahre wiederholen muss. Das wollte er nicht einsehen und hat sich an den zuständigen Verband der Ersatzkassen gewandt. Wieso denn eine erneute Antragsstellung notwendig sei, habe er wissen wollen. „Es kann sich ja in den vergangenen fünf Jahren etwas geändert haben“, habe man ihn da abgebügelt. „Was soll sich denn bitte geändert haben?“, fragt der Paderborner. „Das ist so absurd, insbesondere wenn man es im Vergleich sieht: Die Apothekenzulassung gilt ein Leben lang!“
Er frage sich, welchen Sinn es dann mache, die Präqualifikation alle paar Jahre zu durchlaufen. „Denn im Grunde ist es keine Verlängerung, sondern vom Umfang her ein neuer Antrag: Auszug aus dem Bundeszentralregister, Gewerbeanmeldung, Handelsregisterauszug – alles muss erneut mit neuestem Datum beigebracht werden, für jedes Gebiet einzeln“, erklärt er, „nur damit wir Hilfsmittel zum Teil unter Einkaufspreis abgeben dürfen. Mir reicht es!“
Verdienen könne man damit nichts, es gehe nur darum, die Patienten zu versorgen und als Kunden zu halten. Mittlerweile könne er sich gar vorstellen, sich dem Ganzen komplett zu verweigern und keine Hilfsmittel mehr abzugeben. Er kenne zwar keine Kollegen, die das tun, „aber es gibt mit Sicherheit schon welche“. Denn der Antrag ist nicht nur umständlich, sondern auch teuer – rund 300 Euro habe es ihn gekostet, berichtet Dribusch.
Die Hilfsmittelversorgung müsse patientenfreundlicher und unbürokratischer werden, forderte die ABDA schon vor drei Jahren. „Der unübersichtliche Hilfsmittelmarkt wird durch die Ausschreibungen der Krankenkassen und die bürokratischen Hürden der Präqualifizierung immer schwieriger zu bedienen“, beschwerte sich damals Dr. Rainer Bienfait, zu der Zeit stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Hilfsmittel. Besonders viel Bürokratie bei gleichzeitig niedrigem Ertrag kann vor allem bei der Abgabe von Pflegehilfsmitteln anfallen. Insbesondere das Ausfüllen der Belege und die Verwaltung der Vorgänge empfindet das Apothekenpersonal einer APOSCOPE-Umfrage zufolge als aufwendig. Präqualifizierung war auch bereits 2011 das Unwort des Jahres.
Diese Wahrnehmung teilt Dribusch, an die Hilfe ABDA glaubt er dabei aber nicht. Im Gegenteil, die „etablierte Standesvertretung“ sei zu unflexibel und mit ihren „zum Teil undurchschaubare Strukturen mit verantwortlich für die ständig wachsende Bürokratie und behördliche Gängelungen in unserem Beruf“. Das schreibt Dribusch auf der Seite der Freien Apothekerschaft (FA), deren stellvertretender Vorsitzender er ist. Mit dem Verein fordert er seit Jahren einen Abbau der Bürokratie. Stattdessen werde es aber immer schlimmer, „und demnächst kommt dann auch noch Securpharm dazu“.
Und da ist noch gar nicht an den Ärger mit den Kassen gedacht. Stimmt ein Detail bei der Hilfsmittelabgabe nicht, bleibt er auf den Kosten sitzen – nicht zuletzt wegen der Retax-Falle § 302. Sowieso zu beachten bleibt, dass Mischverordnungen nicht zulässig sind, ein Hilfsmittel also nicht zusammen mit einem Arzneimittel verordnet werden darf. In der Praxis bedeutet das, dass beispielsweise Diabetikern Nadeln oder Lanzetten und Teststreifen gesondert verschrieben werden müssen.
Wünscht der Patient eine höherwertige Versorgung, muss die Apotheke das auf das Rezept drucken. Wie genau das auszusehen hat, ist aber gesetzlich gar nicht geregelt. Das Verhalten der Kassen vergleiche er immer mit einer Taxifahrt, so Dribusch: „Stellen Sie sich vor, Sie steigen in ein Taxi und lassen sich umherfahren. Am Ende steigen Sie aus und gehen ohne zu bezahlen – und begründen das damit, dass der Taxifahrer in der Stadt 55 statt 50 km/h gefahren ist.“
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