Die Preise waren zu gut, um wahr zu sein: Die Barmer GEK hat eine Ausschreibung über aufsaugende Inkontinenzmittel aufgehoben, weil die Gebote der Hersteller zu niedrig waren. Offensichtlich hatten die Unternehmen einkalkuliert, dass viele Versicherte für bessere Produkte aufzahlen würden. Die Kasse will nun auf einen klassischen Hilfsmittelvertrag setzen, dem alle Leistungserbringer beitreten können.
Bei der vorherigen Ausschreibung über aufsaugende Inkontinenzprodukte hatten insgesamt sechs Unternehmen exklusive Zuschläge für insgesamt 20 Losgebiete erhalten: Vier Lose gingen an Unizell Medicare, je drei Lose an Attends, Medi-Markt Homecare, Medi-Center und MediClean sowie je zwei Lose an Mohage Mommsen und Seresco.
Die Ausschreibung für die Nachfolgeverträge veröffentlichte die Barmer Ende Juli. Das Auftragsvolumen belief sich auf 77 Millionen Euro. Bei der Sichtung der eingegangenen Angebote zeigten sich einem Kassensprecher zufolge „auffällig niedrige Monatspauschalen“: „Diese lagen deutlich unter 10 Euro für eine monatliche Versorgung eines Versicherten.“
Um zu prüfen, ob mit dieser Summe überhaupt eine Versorgung gewährleistet werden kann, unterzog die Barmer die Angebote einer sogenannten Auskömmlichkeitsprüfung. „Das Ergebnis bestätigte unsere Verdachtsmomente“, so der Sprecher. „Eine aufzahlungsfreie und qualitativ hochwertige Versorgung unserer Versicherten mit Inkontinenzprodukten erscheint unter diesen Angebotspreisen von deutlich unter 10 Euro Monatspauschale nicht möglich.“
Bei der Barmer geht man davon aus, dass die Hersteller die niedrigen Preise nur anbieten konnten, weil sie bereits Einnahmen aus dem Verkauf von aufzahlungspflichtigen Produkten in die Kalkulation eingepreist hatten. „Aufzahlungen sind jedoch nur dann zulässig, wenn der Versicherte eine andere als die medizinisch zweckmäßige, ausreichende und wirtschaftliche Versorgung freiwillig wählt“, betont die Barmer. Um die Qualität und Sicherheit der Versorgung nicht zu gefährden, hat sich die Kasse deshalb für die Aufhebung der Ausschreibung entschieden.
Stattdessen setzt die Barmer nun auf einen sogenannten Bekanntmachungsvertrag: Bis Ende nächster Woche können Anbieter ihr Verhandlungsinteresse bekunden. Nach Abschluss der Verhandlungsphase können Leistungserbringer bundesweit zu gleichen Konditionen beitreten. „Damit wird den Versicherten eine Vielzahl von Anbietern zur Auswahl stehen, die hochwertige und aufzahlungsfreie Produkte anbieten“, so der Kassensprecher.
Allerdings betont die Barmer auch, dass sich „Ausschreibungen als wettbewerbliches Instrument zum Abschluss von Verträgen in der Hilfsmittelversorgung bewährt“ haben. Kritik äußert die Kasse hingegen am Hilfsmittelverzeichnis, dessen Anforderungen sie als „überholt“ bezeichnet. „Deshalb sollte der GKV-Spitzenverband gesetzlich verpflichtet werden, das Hilfsmittelverzeichnis zur Verbesserung der Versorgungsqualität zeitnah und anschließend regelmäßig zu aktualisieren.“
Diese Forderungen decken sich mit den im Dezember bekannt gewordenen Vorschlägen des Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur Verbesserung der Hilfsmittelversorgung. Demnach soll der GKV-Spitzenverband das Hilfsmittelverzeichnis aktualisieren. Produktgruppen mit einer hohen Innovationsdynamik sollen künftig nur noch zeitlich befristet in das Verzeichnis aufgenommen werden. Der GKV-Spitzenverband hat erst Anfang Dezember einen Entwurf für eine Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnisses im Bereich der Inkontinenzprodukte vorgelegt.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) glaubt weiter an Rabattverträge: „An dieser Grundsatzentscheidung für eine Stärkung des Preiswettbewerbs wird festgehalten.“ Allerdings soll die Zuschlagserteilung künftig nicht mehr ausschließlich am niedrigsten Preis erfolgen. Und unabhängig von der Vertragsart sollen die Kassen gewährleisten, dass ihre Versicherten zwischen mehreren aufzahlungsfreien Hilfsmitteln wählen können.
Darüber hinaus bedarf es laut Barmer einer größeren Transparenz über die Qualität des Versorgungsprozesses, etwa über Lieferbedingungen oder die Einhaltung der Beratungs- und Einweisungspflichten. „So sollten die Krankenkassen alle für die Qualitätssicherung der Versorgung relevanten Daten anfordern dürfen“, findet die Barmer. Hierzu gehöre auch die Information, ob und in welcher Höhe ein Versicherter eine Aufzahlung geleistet habe.
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