Inkontinenzhilfen: Ab Januar höherwertige Windeln Lothar Klein, 27.10.2016 12:15 Uhr
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Hilfsmittelverzeichnis aktualisiert: Noch bevor das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegte „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ (HHVG) verabschiedet ist, können Inkontinenz-Patienten ab Januar auf eine Verbesserung der Versorgung mit Hilfsmitteln hoffen. Foto: BVMed
Patienten mit Inkontinenz können auf eine Verbesserung der Versorgung mit Windeln hoffen. Wie der GKV-Spitzenverband bestätigte, soll ab Mitte November die Hilfsmittelliste der entsprechenden Gruppe 15 aktualisiert werden. Damit stehen circa 100 höherwertige Produkte zur Versorgung bereit. Der Selbsthilfeverband Inkontinenz geht davon aus, dass die neuen Produkte ab Januar bei den Patienten ankommen und damit noch bevor das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegte „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ (HHVG) verabschiedet wird.
„Die ersten rund 100 Einträge werden Mitte November veröffentlicht werden. Anschließend werden schrittweise weitere folgen“, so der GKV-Spitzenverband gegenüber APOTHEKE ADHOC. Einerseits ist der Selbsthilfeverband Inkontinenz jetzt zufrieden, dass die Aktualisierung der Hilfsmittelliste durch erfolgt. Nach Ansicht des Verbandes hätte die Listung der höherwertigen Inkontinenzprodukte aber bereits im Mitte Oktober erfolgen können. Stefan Süß, Vorstand des Selbsthilfeverband Inkontinenz, vermutet dahinter bewusste Verzögerungstaktik, um den Herstellern Gelegenheit zu bieten, ihre Lager mit den alten Produkten abzuverkaufen.
Die jetzige Aktualisierung der Hilfsmittelliste geht zurück auf die im Frühjahr erfolgte Fortschreibung des Verzeichnisses. Dabei wurden neue Kategorien für eine höherwertige Versorgung geschaffen. Die Hersteller hatten über den Sommer Zeit, neue Produkte anzubieten und zertifizieren zu lassen. Das ist inzwischen erfolgt.
Im Frühjahr hatten die Krankenkassen nach erheblicher Kritik an der Inkontinenzversorgung im Vorgriff auf den Gesetzentwurf einen Vorstoß unternommen, die Qualitätsanforderungen an aufsaugende Inkontinenzhilfsmittel („Windeln“) im Hilfsmittelverzeichnis deutlich anzuheben. Verbessert werden sollte die Saugleistung, insbesondere bei der Aufsauggeschwindigkeit und der Rücknässewerte. Eine schnelle Flüssigkeitsaufnahme und eine hohe Flüssigkeitsbindung seien wesentliche Faktoren für eine hohe Produktqualität und effektive Versorgung, so der GKV-Spitzenverband im März diese Jahres.
Als zusätzliche Qualitätsanforderungen wurden die Absorption von Gerüchen und die Atmungsaktivität der Produkte festgeschrieben. Produkte, die die neuen Anforderungen nicht erfüllen, werden aus dem Hilfsmittelverzeichnis gestrichen. Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, erklärte vor Monaten, dass sich die Versorgung nachhaltig verbessern werde. Von den rund 2200 gelisteten Produkten würden mehr als 600 nach dem Ende der Übergangsfrist verschwinden. „Was den neuen Qualitätsanforderungen nicht entspricht, wird gestrichen. Wir räumen da gründlich auf!“
Kiefer forderte alle Kassen auf, die bestehenden Versorgungsverträge zu überprüfen und an die neuen Vorgaben anzupassen. „Ich erwarte, dass in Zukunft kein Versicherter mehr Aufzahlungen leisten muss, um wirklich gut versorgt zu werden“, so Kiefer.
Laut GKV-Spitzenverband benötigen circa 1,5 Millionen gesetzlich Versicherte regelmäßig aufsaugende Inkontinenzhilfsmittel. Derzeit gebe es bei der Qualität der Produkte und der Services der Leistungserbringer „teilweise eklatante Mängel“, räumte der Kassenverband ein. Kiefer: „Nässende Windeln, unzureichende Versorgungsmengen, die Anlieferung in nicht neutralen Verpackungen und zudem noch teilweise hohe Aufzahlungen sind nur einige Stichwörter.“
Neben einer besseren Produktqualität wurden auch die Anforderungen an die mit der Versorgung einhergehenden Dienstleistungen definiert. Damit liegen erstmals einheitliche, verbindliche Vorgaben für die Beratung der Versicherten, eine bedarfsgerechte Produktauswahl und Lieferung der Produkte sowie zusätzliche Service- und Garantieleistungen vor. Im neuen Hilfsmittelverzeichnis wurden erstmals auch Vorgaben zu angemessenen Versorgungsmengen gemacht.
Ende August hat das Bundeskabinett parallel das HHVG beschlossen, mit dem ebenfalls die Qualität und Transparenz der Versorgung mit Hilfsmitteln verbessert werden soll. Die Regelungen sollen überwiegend im März 2017 in Kraft treten. Das Gesetz befindet sich in der parlamentarischen Beratung und umfasst nicht nur Verbesserungen bei Inkontinenzhilfen, sondern auch bei Kompressionsstrümpfen, Prothesen sowie Rollstühlen.
Bei Hilfsmittelausschreibungen sollen die Krankenkassen künftig neben dem Preis auch qualitative Anforderungen an die Produkte berücksichtigen. Zudem werden die Kassen verpflichtet, auch bei der Versorgung über eine Ausschreibung den Patienten Wahlmöglichkeiten anzubieten. So sollen die Versicherten zwischen verschiedenen aufzahlungsfreien Hilfsmitteln wählen können. Die Kassen sollen die Leistungserbringer zudem künftig stichprobenartig kontrollieren. Dazu soll der GKV-Spitzenverband bis zum 30. Juni 2017 Rahmenempfehlungen abgeben.
Im Gesetzentwurf werden die Kassen außerdem verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 das Hilfsmittelverzeichnis zu aktualisieren. Zudem soll der GKV-Spitzenverband bis Ende dieses Jahres eine Verfahrensordnung beschließen, mit der das Verzeichnis auch künftig aktuell gehalten wird. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Leistungserbringer die Patienten beraten sollen, welche aufzahlungsfreien Hilfsmittel für sie am besten geeignet sind.
Außerdem müssen die Anbieter bei ihren Abrechnungen mit den Kassen gegebenenfalls offenlegen, wie viel die Patienten zugezahlt haben. Auch von den Kassen fordert der Entwurf mehr Transparenz. Zum einen sollen Versicherte verstärkt über ihre Rechte in der Hilfsmittelversorgung aufgeklärt werden. Zum anderen sollen die Kassen ihre Verträge mit Leistungserbringern online veröffentlichen, damit Patienten besser vergleichen können.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem sogenannte „Blankoverordnungen“ vor: Dabei verordnet der Arzt eine bestimmte Behandlung, der Heilmittelerbringer bestimmt jedoch Dauer, Auswahl und Häufigkeit der Therapie. So soll den Therapeuten mehr Versorgungsverantwortung übertragen werden.