Inkontinenzversorgung

Umfrage: Kassen zocken Patienten ab

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Berlin -

Ob Generika oder Hilfsmittel: Die Kassen setzen auf eine Versorgung zum niedrigsten Preis. Dass dabei mitunter die Qualität auf der Strecke bleibt, zeigt sich derzeit am deutlichsten bei den Inkontinenzprodukten. Nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Apotheker üben massive Kritik an der Gier der Kassen.

Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC gaben 70 Prozent der Teilnehmer an, die Zustände seien „skandalös“. Die Kassen missachteten ihren Auftrag, so die einhellige Meinung. Weitere 23 Prozent finden das Vorgehen der Kassen ungerecht: Die Betroffenen würden finanziell überlastet, da sie qualitativ angemessene Produkte ganz oder teilweise aus eigener Tasche bezahlen müssten.

5 Prozent sehen die Versorgungssituation kritisch, aber die Alternative wären steigende Kassenbeiträge. Nur 2 Prozent gaben an, die Kassen treffe keine Schuld: Der Spardruck sei einfach zu groß. 1 Prozent hatte keine Meinung. An der Umfrage beteiligten sich am 10. und 11. November insgesamt 391 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC.

Laut Selbsthilfeverband Inkontinenz zahlen 80 bis 95 Prozent der Kassenpatienten bei Inkontinenzprodukten drauf oder übernehmen die Kosten gleich komplett selbst. Mitunter werde den Betroffenen von vornherein vom Arzt geraten, sich auf eigene Rechnung mit Windeln einzudecken. Pro Monat kommen laut einer Umfrage des Verbands 50 bis 100 Euro zusammen, die der Versicherte aus eigener Tasche zahlen muss. Die Kasse dagegen beteilige sich nur mit einem Betrag von 15 Euro, obwohl sie für die Versorgung verantwortlich sei.

Durch die Einführung der Ausschreibungen vor gut fünf Jahren ist der Markt gekippt. Mit ihren Exklusivpartnern stellen die Kassen zwar in der Theorie eine kostenfreie, ausreichende Versorgung mit Windeln sicher. Die Billigware erfüllt ihren Zweck oft aber nicht einmal annähernd. Die Versender spekulieren darauf, dass der Versicherte sich lieber ein Markenmodell – zu überteuerten Preisen – zuschicken lässt. Für die Patienten ist der Bezug über den Partner oft sogar teurer als eine Bestellung vor Ort auf eigene Rechnung.

Die Kassen argumentierten, die Produkt- und Qualitätsanforderungen seien nicht verhandelbar – der GKV-Spitzenverband entscheide, welche Hilfsmittel in das Verzeichnis aufgenommen oder gestrichen werden. DAK-Chef Professor Dr. Herbert Rebscher kritisiert, dass der Katalog nicht regelmäßig und zeitnah aktualisiert wird und daher nicht mehr dem medizinisch notwendigen Versorgungsniveau entspricht.

Dass Problem hat mittlerweile auch den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), erreicht. Er will die Qualität der Windeln überprüfen lassen und hat die Patienten aufgefordert, ihm die Windeln zu schicken, die sie zuzahlungsfrei erhalten. Ein unabhängiges Institut soll die Qualität prüfen. Bis Anfang nächsten Jahres sollen Ergebnisse vorlegen.

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