Hilfsmittel

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Berlin -

Der Selbsthilfeverband Inkontinenz hat das neue „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ (HHVG) unter die Lupe genommen. Die Patientenvertretung sieht darin sieben Probleme, worauf sie den Gesundheitsausschuss in einer Stellungnahme hinweist. Der Verein schlägt vor, dass Ärzte Hilfsmittel konkreter verordnen.

Der Selbsthilfeverband fordert, die Hilfsmittel schon bei der Verordnung genauer zu definieren: „Die ärztliche Verordnung muss gestärkt werden“, betont Stefan Süß, Vorstandsmitglied des Selbsthilfeverbands. Das sei eines der Hauptanliegen der Stellungnahme. Denn die spezifischere Verordnung führe zu einer Kostenersparnis, da verhindert werde, dass Leistungserbringer Hilfsmittel ohne medizinische Notwendigkeit abgeben, argumentiert der Verband. Die Krankenkassen müssten die Versorgung trotz ärztlicher Verordnung nicht genehmigen.

Dem Verband ist ein Anliegen, dass die Ärzte in ihren Verordnungen zwingend mindestens die Hilfsmittelproduktart benennen. Bei Hilfsmitteln, die verbraucht werden – beispielsweise Windeln – soll auf dem Rezept außerdem die Anzahl und der Verbrauchszeitraum angeführt werden. „Würde der Arzt etwa nur eine Inkontinenz bescheinigen, könnte der Leistungserbringer bestimmen, welche Hilfsmittel der Patient erhält“, sagt Süß. In dem Fall hätte der Arzt wenig Kontrolle.

Ebenfalls kritisch beurteilt Süß, dass die Mehrkosten im HHVG nicht definiert würden. Sein Verband schlägt vor, die Definition vom Festbetrag für Hilfsmittel abhängig zu machen: „Die wirtschaftliche Aufzahlung ist der Betrag welcher über den Festbetrag hinausgeht, jedoch nie mehr als 20 Prozent über dem Festbetrag.“ Die Obergrenze sei verhandelbar, eine Deckelung sei allerdings wichtig, damit die Festbeträge realistisch angesetzt würden.

Der Selbsthilfeverband Inkontinenz hat für die Stellungnahme mit anderen Patientenvertretern gesprochen. „Die Aufzahlung komplett zu verbieten, wäre nicht für alle Hilfsmittel sinnvoll“, sagt Süß. Bei Inkontinenzhilfen würde es funktionieren, doch etwa bei Rollstühlen solle dem Patienten die Möglichkeit bleiben, das Gerät an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu lassen. Die anderen Selbsthilfeverbände wollen laut Süß ebenfalls Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf veröffentlichen.

Außerdem will der Selbsthilfeverband die Kassen verpflichten, Versicherte auf Nachfrage über die verschiedenen Leistungserbringer zu informieren. Außerdem sollten die Kassen mitteilen, zu welchen Zeitpunkten der Versorger gewechselt werden kann. So soll den Patienten ermöglicht werden, den am besten geeigneten Anbieter zu finden.

Wenn die Kasse dem Informationsgebot nicht nachkommt, soll der Patient einen eigenen Leistungserbringer selbst auswählen dürfen, schlägt der Verband vor. Die Kostenübernahme für die Versorgung solle bis zur Höhe des Festbetrags erfolgen – kein Versicherter soll eine höhere Pauschale erhalten, fordert der Verband.

Darüber hinaus kritisiert der Selbsthilfeverband, dass die Hilfmittelverordnung (HMV) den Leistungserbringern nicht als Mindestmaß für die Hilfsmittel gilt. Nach der aktuellen Formulierung seien allein die Kassen aufgefordert, die Standards als Maßstäbe bei der Auswahl der Leistungserbringer anzusetzen. Die Versorger müssen die geforderten Kriterien also theoretisch erfüllen – praktisch könnten sie die Patienten jedoch mit Waren von geringerer Qualität beliefern, befürchtet der Verband. Das seien lediglich „handwerkliche Fehler“ im Text, die jedoch nachgebessert werden müssten, sagt Süß.

Wie erfolgreich die Stellungnahme sein wird, kann Süß nicht einschätzen. „Wir hoffen, damit zumindest Wind zu machen“, sagt er. Die zwei wichtigsten Anliegen – Definition der Mehrkosten sowie die Stärkung der Arztverordnung – will er in den Gesetzestext bringen.

Grundsätzlich gehe das HHVG für den Bereich Hilfsmittel bereits in „die richtige Richtung“, so Süß. Bei Ausschreibungen die Zuschläge nicht allein nach dem Preis zu vergeben, sei im Sinne der Patienten. Die Hilfsmittelverordnung zyklisch zu überarbeiten, hält Süß ebenfalls für sinnvoll.

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