Hilfsmittelverträge

Regierung sieht Kassen in der Pflicht

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Berlin -

Patienten, Apotheker und zuletzt auch die Opposition kritisieren Hilfsmittelausschreibungen der Krankenkassen. Mit einer Kleinen Anfrage hat sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung gewandt. Die sieht die Krankenkassen in der Verantwortung.

Die Kassen müssten die notwendige Qualität der Versorgung sicherstellen, heißt es in der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Das gelte nicht nur für die Hilfsmittel, sondern auch für die notwendigen Beratungs- und Dienstleistungen sowie für eine zeit- und wohnortnahe Versorgung. „Damit soll verhindert werden, dass die mit den Ausschreibungen angestrebten Preisvorteile zu Lasten der Qualität und Praktikabilität der Versorgung gehen.“

Für die Bundesregierung ist klar: „Die Krankenkassen schulden ihren Versicherten eine sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung.“ Für die medizinische notwendige Versorgung dürften daher weder Krankenkassen noch Leistungserbringer von den Versicherten eine Eigenbeteiligung verlangen.

Anders sieht es allerdings aus, wenn sich Patienten für eine Versorgung entscheiden, die über das medizinische Notwendige hinausgeht. Auch wenn sie sich für einen anderen Leistungserbringer entscheiden, obwohl die Versorgung durch den Ausschreibungsgewinner „in zumutbarer Weise möglich wäre“, müssten die Versicherten die Mehrkosten tragen, so die Bundesregierung.

Kritiker bringen an, dass die Qualität der Hilfsmittel nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen. Das kann die Bundesregierung nicht nachvollziehen. Laut GKV-Spitzenverband wurden die Vorgaben für Inkontinenzhilfen zuletzt 2007 überprüft – dabei habe es keine Hinweise auf Anpassungsbedarf der Qualitätsanforderungen aus dem Jahr 1993 gegeben.

Derzeit werde die Fortschreibung der Produktgruppe vorbereitet, anhand einer neuen Prüfmethode, die es seit März 2015 gebe. Laut BMG ist zum Jahresende mit dem Abschluss der Fortschreibung zu rechnen, anschließend werden die gelisteten Produkte anhand der neuen Qualitätskriterien überprüft.

Von einer regelmäßigen Aktualisierung der Qualitätskriterien für das Hilfsmittelverzeichnis ist die Bundesregierung aber nicht überzeugt. Da die Produkte sehr unterschiedlich seien, ließe sich kein übergreifender Stand der Technik formulieren. Der Produktlebenszyklus eines Hörgeräts sei etwa wesentlich kürzer als der von Pflegebetten. Eine pauschale regelmäßige Überprüfung würde daher eine unverhältnismäßig hohen und nicht zielführenden Aufwand ergeben.

Auch von dem Vorschlag von DAK-Chef Professor Dr. Herbert Rebscher, die Qualitätsanforderungen für einzelne Krankenkassen zu öffnen, hält die Bundesregierung wenig. Der Standard der Produkt- und Versorgungsqualität müsse dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. „Die über die Solidargemeinschaft finanzierte Hilfsmittelversorgung darf nicht davon abhängen, welcher Krankenkasse ein Versicherter angehört“, so die Regierung.

Ohnehin sieht die Bundesregierung kein großes Problem. 2014 seien 188 Beschwerden zu Hilfsmitteln beim BVA eingegangen. In den Vorjahren waren es deutlich mehr, zuletzt 208 im Jahr 2013. Der Anteil der Beschwerden zu Hilfsmitteln lag meist bei knapp 8 Prozent.

Beim Ombudsmann für die Private Kranken- und Pflegeversicherung gingen demnach im vergangenen Jahr 176 Beschwerden im Bereich der Hilfsmittelversorgung ein – mit Abstand der höchste Wert in den vergangenen Jahren. Die zweitmeisten Beschwerden gab es, als sich 2011 insgesamt 122 Privatversicherte beschwerten.

Dass die Krankenkassen in ihren Ausschreibungen die Preise zu niedrig kalkulieren, findet die Bundesregierung nicht. In den Ausschreibungen würden die Kassen die erwarteten Leistungen umfassend beschreiben. Die Bieter würden die künftigen Vertragspflichten also kennen und könnten ihre Angebotspreise kalkulieren. Die Ausschreibungsgewinner könnten sich daher später nicht darauf berufen, dass die Vergütungen nicht auskömmlich seien.

Aus Sicht der Bundesregierung deutet die Ausgabenentwicklung der Krankenkassen zudem nicht auf eine restriktive Genehmigungspraxis hin: Die Ausgaben für die Hilfsmittelversorgung seien von 2012 bis 2014 von 6,46 auf 7,44 Milliarden Euro gestiegen – das ist ein Plus von 15 Prozent.

Krankenkassen hätten drei Möglichkeiten, die Hilfsmittelversorgung sicherzustellen: Ausschreibungen, reguläre Verhandlungen und Vereinbarungen im Einzelfall. Bei der Versorgung mit Inkontinenzhilfen entfallen laut Bundesregierung 75,4 Prozent des Ausgabenvolumens auf Verhandlungsverträge, 17,7 Prozent auf Ausschreibungen und 6,9 Prozent auf Verträge zum Festbetrag.

Jeden Monat gebe es durchschnittlich sechs neue Vertragsabsichten und drei Ausschreibungen im Hilfsmittelsektor. Die Ausschreibungen der Krankenkassen betreffen demnach meist Elektrostimulationsgeräte, Inhalations- und Atemtherapiegeräte sowie Inkontinenzhilfen. Das Finanzvolumen der Ausschreibungen im AOK-System und bei den Ersatzkassen beträgt Schätzungen zufolge zwischen 5 und 10 Prozent am gesamten Ausgabenvolumen für Hilfsmittel. Die übrigen Kassen führen kaum Ausschreibungen durch.

Die Bundesregierung betont, dass Krankenkassen, die mit Leistungserbringern Selektivverträge schließen, die Vergaberechtsvorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beachten müssen. Diese enthalten Vorgaben zum Schutz kleiner und mittelständischer Unternehmen, etwa das Gebot der Wohnortnähe.

Ob über die derzeitigen Vorschriften hinaus weitere gesetzliche Vorgaben erforderlich sind, will die Bundesregierung prüfen – genau wie die Frage, ob die intensiven und systematischen Prüfungen ausreichen, mit denen die Kassen sicherstellen sollen, dass die Hilfsmittelversorgung auch tatsächlich vertragskonform durchgeführt wurde.

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