Hess erzwingt den Kompromiss Alexander Müller, 08.01.2014 12:58 Uhr
Mit Mühe und Not haben sich GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) gestern im Schiedsverfahren auf die Erstellung einer Substitutionsausschlussliste geeinigt. Zwei Wirkstoffe – Ciclosporin und Phenytoin – wurden schon aufgenommen, weitere sollen anhand festgelegter Kriterien geprüft werden. Dazu beauftragen Kassen und Apotheker jetzt jeweils einen Experten, über die Aufnahme des Wirkstoffs muss dann wieder die Schiedsstelle entscheiden. Deren Vorsitzender, Dr. Rainer Hess, hatte den Rückzug der Kassen aus dem Schiedsverfahren offenbar schlichtweg nicht akzeptiert.
Nach dem Scheitern der bilateralen Verhandlungen hatten die Kassen Anfang August die Schiedsstelle angerufen. Doch kurz vor Weihnachten hatte der GKV-Spitzenverband seinen Antrag zurückgezogen. Hintergrund ist eine Formulierung im Koalitionsvertrag: Union und SPD haben sich darauf verständigt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit der Erarbeitung einer Liste beauftragt werden soll.
Da außer dieser Absichtserklärung aber noch nichts Konkretes passiert ist, bestand Hess dem Vernehmen nach auf einer Fortführung des Schiedsverfahrens. Gestern haben sich die Parteien einstimmig auf ein Verfahren geeinigt und die ersten Wirkstoffe von der Substitution ausgeschlossen.
Die beiden noch zu benennenden Professoren sollen anhand der ebenfalls festgelegten Kriterien weitere Wirkstoffe prüfen, die der DAV vorgeschlagen hatte. Darunter sind Immunsuppressiva, Antiepileptika und Schilddrüsenpräparate.
Beide Seiten verbuchen den Schiedsspruch als Erfolg: Der GKV-Spitzenverband teilte mit: „Im Wesentlichen basiert die Entscheidung der Schiedsstelle auf einem Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes vom August 2013.“ Die Kassen hatten sich Kriterien zur Erstellung der Aut-idem-Liste gewünscht. „Dieser Beschluss garantiert, dass die Substitutionsausschlussliste willkürfrei, nachprüfbar und zukünftig weiterentwicklungsfähig ist“, so der GKV-Spitzenverband.
Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands ist der Beschluss aber nur „eine akzeptable Zwischenlösung“. Nach wie vor sprechen sich die Kassen dafür aus, dem G-BA die Zuständigkeit zu übertragen: „An diesem Ziel muss auf jeden Fall festgehalten werden“, so die Kassen mit Blick auf den Koalitionsvertrag.
Der DAV setzt dagegen weiter auf die Selbstverwaltung: „Ich habe großes Vertrauen, dass die Schiedsstelle die Austauschverbotsliste nun zügig bearbeitet und erweitert“, sagte DAV-Verhandlungsführer Dr. Rainer Bienfait. Wenn sich die Verhandlungspartner auf weitere Wirkstoffe einigten, sei ein Einschreiten der Politik nicht notwendig.
Während der monatelangen Verhandlungen hatten verschiedene Gesundheitspolitiker eine Einigung der Selbstverwaltung eingefordert. Eine Festlegung durch den Gesetzgeber sei das letzte Mittel der Wahl, sagte etwa der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn.
Der GKV-Spitzenverband fühlte sich offenbar unter Druck gesetzt: Die Politik habe die konkrete Benennung einer Wirkstoffliste „nachdrücklich eingefordert“ und eine Frist bis zum 1. August 2013 gesetzt. Tatsächlich sei mit der AMG-Novelle im Oktober 2012 aber nur eine „optionale Regelung zum Ausschluss von Arzneimitteln aus der Substitutionsverpflichtung“ aufgenommen worden.
Ob überhaupt eine Liste erstellt werden muss, habe der Gesetzgeber damit in das Ermessen der Vertragspartner des Rahmenvertrages gestellt. Mit dem Schiedsspruch ist jetzt immerhin ein Anfang gemacht.