Ampel will AMNOG reformieren

Hersteller fürchten höhere Rabatte

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Berlin -

Auf die Arzneimittelhersteller dürften spannende Zeiten zukommen: Der neue Koalitionsvertrag enthält einige Passagen, die der Industrie gegen den Strich gehen. Insbesondere, dass sie das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) weiterentwickeln und dabei die Schrauben bei der Preisbildung anziehen wollen, stößt bei den Verbänden auf scharfe Kritik.

Das Gesundheitskapitel des Koalitionsvertrages sehe vor, „die Erstattungssituation für innovative Arzneimittel dramatisch zu verändern“, kritisiert der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Denn die voraussichtlich künftige Bundesregierung plane, die Möglichkeit zu schaffen, rückwirkende Rabatte einzuführen. Der vfa warnt davor, dass neue Arzneimittel künftig später verfügbar sein könnten, wenn die Hersteller die Preise im ersten Jahr nicht mehr selbst festlegen können.

Bislang seien neue Medikamente in Deutschland sofort verfügbar – weil die Kassen sie ab dem ersten Tag der Zulassung erstatten, und zwar „zu verlässlich planbaren Preisen, ohne nachträglich eingeforderte Abzüge“. Bisher werden die Rabatte erst nach einem Jahr der Bewertung und Preisverhandlung gewährt. Die Einführung nachträglicher Rabatte sei eine Gefahr: Nachträgliche Abzüge seien unkalkulierbare Risiken für die Unternehmen.

„Hier wird eine traditionelle Stärke des deutschen Systems – die schnelle Verfügbarkeit von neuen Arzneimitteln – unnötig aufs Spiel gesetzt. Zur Unzeit!“, sagt vfa-Präsident Han Steutel. „Corona hat gezeigt, wie wichtig der Regulierungsrahmen für die Versorgung ist. Wenn etwa neue Medikamente nur in begrenzter Menge zur Verfügung stehen, entscheidet die Planbarkeit der Erstattungsbedingungen mit darüber, wohin geliefert wird.“ Steutel zeigt aber auch Hoffnung: „Klar ist aber auch, dass ein Koalitionsvertrag nicht alles regeln kann. Deshalb setzen wir darauf, dass die Ampelkoalition in den kommenden vier Jahren mehr Modernisierung wagen wird, als schriftlich fixiert wurde. Dabei liegt uns die Entbürokratisierung des komplizierten deutschen Gesundheitssystems besonders am Herzen.“

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bläst ins selbe Horn: „Insbesondere die beabsichtigte Verlängerung des Preismoratoriums verhindert wichtige Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, deren Notwendigkeit sich gerade in der Pandemie gezeigt haben“, sagt BAH- Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz. Durch das Preismoratorium würden Hersteller beispielsweise gestiegene Produktionskosten seit mehr als 11 Jahren nicht mehr ausgleichen können. Der seit Juli 2018 gegebene Inflationsausgleich könne das nicht beheben. „Die erneute Verlängerung des Preismoratoriums ist mittelstandsfeindlich und schadet dem Pharmastandort Deutschland“, so Cranz.

Den Vorschlag, Krankenkassen zusätzliche Möglichkeiten bei der Verhandlung von Arzneimittelpreisen zu gewähren, sehe Cranz mit Sorge: „Auch dass die neue Koalition den Erstattungsbetrag rückwirkend ab dem 7. Monat geltend machen will, belastet die Hersteller zusätzlich. Die Vorhaben verwundern, da gerade in Deutschland innovative Arzneimittel bislang besonders schnell auf den Markt gebracht werden. Davon profitieren vor allem die Menschen, die auf eine stabile Arzneimittelversorgung und neue Therapieoptionen angewiesen sind.“

Auch darüber hinaus seien die im Koalitionsvertrag vorgestellten Pläne nicht ausreichend, um die Arzneimittelversorgung und -forschung nachhaltig zu sichern. Der angekündigte Bürokratieabbau sei zwar wichtig, aber nicht ausreichend, denn eine Korrektur auch bei den sozialrechtlichen Steuerungsinstrumenten wäre essenziell, so der BAH. Zustimmung erhält die künftige Koalition aber für ein anderes Vorhaben: Erfreulicherweise unterstütze sie einen breiteren Ansatz zur Verwendung von Versorgungsdaten. „Der BAH steht zu diesem wie den weiteren Themen mit seinen Überlegungen und Vorschlägen der neuen Bundesregierung für einen konstruktiven Austausch zur Verfügung.“

Weniger ablehnend, aber immer noch kritisch reagiert der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Auch er lehnt die geplanten Rabattregelungen als „investitionsfeindliche Maßnahmen“ ab. „Neue Arzneimittel müssen in Deutschland weiterhin schnell verfügbar sein“, so der Vorsitzende, Dr. Hans-Georg Feldmeier. „Die aktuelle Corona-Krise belegt, wie wichtig ein innovationsoffenes System für die schnelle Verfügbarkeit von Arzneimitteln ist. Hier setzt die neue Koalition falsche Signale.“ Gleichzeitig zeigt sich der BPI sich aber erfreut über Signale, die eine Stärkung des Pharmastandortes Deutschland ermöglichen sollen und begrüße das Ziel der Entbürokratisierung.

Die seien jedoch noch zu schwammig formuliert: „Die heute im Koalitionsvertrag beschlossenen Maßnahmen bleiben in einigen Teilen unkonkret und lassen unterschiedliche Interpretationen zu“, so Feldmeier. „Wir werden die Herausforderungen einer ökologischen Neuausrichtung der Gesellschaft und sichere Lieferketten nur erreichen, wenn es dafür verlässliche Rahmenbedingungen und auskömmliche Preise für alle Arzneimitteltherapien gibt.“

Vorsichtig positiv zeigt sich hingegen der Verband Pro Generika: „Wir sehen die Intention der neuen Ampelregierung, den ohnehin extremen Kostendruck im Generikamarkt nicht durch weitere gesetzliche Maßnahmen zu verschärfen“, so Geschäftsführer Bork Bretthauer. „Das ist ein wichtiges Signal für die Grundversorgung.“ Gleichzeitig müsse man aber festhalten, dass der Kostendruck auf Generika nach wie vor zu hoch sei – „so hoch, dass er die Versorgungssicherheit gefährdet“. Die neue Regierung müsse deshalb im Verlauf ihrer Amtszeit Wege finden, den Kostendruck zu reduzieren und die Versorgung wieder zu stabilisieren.

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