Hermann kontert Hennrich-Vorschläge APOTHEKE ADHOC, 02.10.2019 14:59 Uhr
Die kürzlich bekannt gewordenen Pläne von CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich zur Bekämpfung von Lieferengpässen stoßen bei den Krankenkassen auf Widerstand: „Die Politik darf sich nicht von der Pharmaindustrie auf eine falsche Fährte locken lassen“, erklärte Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg und AOK-weiter Verhandlungsführer. Deren Vorschläge zu veränderten Ausschreibungsmodalitäten für Arzneimittel weist der Erfinder der Rabattverträge entschieden zurück.
Die Pharmalobby lulle die Politik immer wieder mit dem Märchen ein, dass deutsche Rabattverträge Arzneimittelengpässe auslösten. „Auf diesen Unfug fällt das Entwurfspapier der Unionsparteien leider in weiten Strecken rein.“ Der deutsche Arzneimittelmarkt habe am globalen patentfreien Arzneimittelmarkt einen Anteil von gerade mal 4 Prozent. Von diesen vier Prozent werde wiederum nur ein Teil durch Arzneimittelrabattverträge gesteuert. Hermann weiter: „Selbst eine große Krankenkasse wie die AOK Baden-Württemberg beeinflusst letztlich weniger als ein Zwanzigstel dieser vier Prozent. Und dieser Bereich soll jetzt verantwortlich sein, für Engpässe, die im Weltmaßstab auftreten, nur damit die Hersteller sich weiterhin aus der Pflicht stehlen können?“
Gänzlich inakzeptabel ist für den AOK-Chef der Vorschlag, innerhalb einzelner Gebietslose alle Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einheitlich und gemeinsam ausschreiben zu lassen. „So bildet man Kassenkartelle auf der einen Seite und Pharmamonopole auf der anderen. Eine wettbewerbsfeindlichere Konstellation ist schwerlich vorstellbar. Hier wird nicht Versorgungssicherheit gestärkt, im Gegenteil, sie gerät vollends unter die Räder“, warnt Hermann. Jährlich sparten die Rabattverträge der Solidargemeinschaft Ausgaben in Höhe von vier Milliarden Euro, die an anderer Stelle für die gesundheitliche Versorgung der Menschen investiert werden können. „Diese Gelder dürfen zukünftig nicht wieder breit an Pharmahersteller rübergereicht werden, weil dirigistischer Zentralismus den Wettbewerb plattmacht“, so Hermann weiter.
Eine Abfuhr erteilt der AOK-Chef nicht zuletzt auch der Forderung, Rabattverträge dürften – wenn überhaupt – nur noch im Mehrpartnermodell ausgeschrieben werden: „Mit exklusiven Ausschreibungen haben wir vor zehn Jahren einen fairen Wettbewerb auf einem Markt erzwungen, auf dem zuvor nur Oligopole der Großkonzerne die Preise diktiert haben. Wer das einzige funktionierende Steuerungsinstrument des generischen Arzneimittelmarkts seiner Wirkmechanismen beraubt, handelt gegen das Interesse der GKV-Versicherten.“
Einige gut gemeinte Anknüpfungspunkte an Positionen der AOK Baden-Württemberg kann Vorstandschef Hermann in dem Entwurfspapier der AG Gesundheit von CDU und CSU immerhin entdecken: Die AOK setze sich bereits seit Jahren dafür ein, dass Engpässe verbindlich dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet werden müssen. Ebenso verfolge die AOK Baden-Württemberg seit langem die Idee, eine Arzneimittelreserve aufzubauen, wofür für pharmazeutische Unternehmen eine Vorratshaltung verbindlich gemacht werden müsse, wie es sie für Apotheken und Großhandel längst gibt.
In einem Positionspapier der Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird unter anderen gefordert, keine exklusiven Rabattverträge mehr abzuschließen. Auch Exportbeschräkungen werden als „ultima ratio“ erwogen. Das Positionspapier der AG Gesundheit fordert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, Maßnahmen zu ergreifen, die für eine größere Transparenz bei Lieferketten von pharmazeutischen Unternehmen über Großhandel bis hin zu den Apotheken sorgen. Auch die Einkaufssituation und Belieferung von Krankenhausapotheken müsse berücksichtigt werden.
Von besonderer Bedeutung sei auch der Export von Arzneimitteln, die eigentlich zur Versorgung der Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen sollten, jedoch aufgrund der globalen Marktsituation in andere Länder exportiert würden: „Bis heute ist nicht vollkommen nachvollziehbar, in welchem Umfang dies der Fall ist. Um für zukünftige Maßnahmen eine bessere faktische Grundlage zur Verfügung zu haben, regen wir zusätzlich an, dass das BMG hierfür eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag gibt.“