Bundestagswahl 2017

Gröhe will kein Apotheken-Minister sein

, Uhr
Berlin -

Mit 28 Gesetzen und Verordnungen ist Hermann Gröhe (CDU) nicht nur einer der fleißigsten Gesundheitsminister aller Zeiten, sondern vermutlich auch einer der teuersten. Um rund 30 Milliarden Euro steigen während seiner Amtszeit die Ausgaben der Krankenkassen. Sechs Milliarden Euro bekamen die Ärzte, acht Milliarden Euro die Kliniken, viel Geld die Pflege und 100 Millionen die Apotheker. Das ficht Gröhe nicht an. Er würde gerne einen Platz am Kabinettstisch behalten, irgendwie, irgendwo.

125 zu 86: Gröhes Blutdruck ist okay, als er sich in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) als Versuchskaninchen auf seiner Sommerreise für einen Praxistest zur Verfügung stellt. Nur der Puls geht mit 99 Schlägen etwas schnell. Das ist dem Tempo seiner Reise geschuldet. Nach vier Jahren im Amt hat sich Gröhe als Gesundheitsminister zurechtgefunden. Er kann aus dem Stegreif über die meisten Sachfragen referieren, kennt sein politisches Terrain. Das könnte so bleiben. „Ich würde gerne als Gesundheitsminister weitermachen“, wiederholt der frühere CDU-Generalsekretär seine Ambitionen. Mit Kanzlerin Angela Merkel hat er schon darüber gesprochen.

Aber erst hat der Wähler das Wort. Und der Ausgang der Bundestagswahl könnte Gröhe in andere Ämter spülen: „Die große Koalition muss eine Ausnahme bleiben“, sagte Gröhe bereits als CDU-Wahlkampfmanager vor vier Jahren und denkt heute immer noch so. Also wird es eine Fortsetzung nur geben, wenn andere Konstellationen scheitern. Ein Bündnis mit der FDP steht bei der Union an erster Stelle. Reicht es dazu am 24. September nicht, wollen CDU und CSU noch einmal ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen ausloten. Vor vier Jahren sagten die Grünen Nein. Dieses Mal stehen die Vorzeichen anders.

In beiden Koalitionen werden sich die Gewichte und die Ämterverteilung verschieben. In der großen Koalition ist die Union für den wirtschaftlichen Sachverstand zuständig. In einem Bündnis mit der FDP oder einer Jamaika-Koalition fühlt sich die Union für die soziale Balance zuständig. Auf das wichtige Arbeits- und Sozialministerium hätte dann wohl Gröhe ein Auge geworfen.

Auch als Entwicklungshilfeminister würde sich Gröhe wohlfühlen und den Posten nicht als politischen Abstieg verstehen. Merkel jedenfalls weiß, dass Gröhe gerne weitermachen würde und nicht aus dem Kabinett ausscheiden will. Und gerne wäre Gröhe in der Bevölkerung etwas bekannter und populärer, als er das als Gesundheitsminister werden kann. In den entsprechenden Umfragen taucht Gröhe entweder gar nicht oder auf einem der hinteren Plätze auf wie zuletzt, als im Urteil die Bürger nur von der Leyen (CDU) und CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt schlechter abschnitten.

So etwas wurmt ihn schon: Auf seiner Sommertour ist Gröhe in der Berliner Charité plötzlich für 15 Minuten verschwunden. Von den Ärzten habe er erfahren, dass auf der Station ein Patient liege, der nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz im vergangenen Dezember eingeliefert wurde und sich seitdem in einem sehr ernsten Zustand befinde. Er habe ihn treffen wollen, sagt Gröhe, aber allein, ohne seinen Begleittross, der ihm zuvor bei einem Rundgang durch die Intensivstation gefolgt war.

„Und er hat sich gefreut, das kann man auch sagen“, sagt der Minister. Die Anekdote ist typisch für den freundlichen und unauffälligen Politiker – er will nicht protzen, aber Gröhe ist Polit-Profi genug, den emotionalen Besuch zu erwähnen.

Das Gröhe nicht häufiger in den Schlagzeilen auftaucht, liegt an seinem Politikstil. Anders als beispielsweise Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) ist er nicht auf Streit und Konflikt gebürstet, bevorzugt Gespräche statt Radau. Die Befriedung des Gesundheitswesens nach der Sparpolitik der Vorgängerregierung war sein Kalkül. In bundesweite Talk-Shows hat sich Gröhe daher nicht gedrängt.

Und die finanzielle Lage der Krankenversicherung hat ebenfalls ihren Teil zur Beruhigung beigetragen. Mit über 26 Milliarden Euro sitzt das GKV-System auf einer soliden Reserve. Gröhe ist mit sich und seiner Welt zufrieden. Wenn, wann nicht jetzt war es möglich, mehr Geld in die Pflegeversicherung zu pumpen. Wenn er mit seinen Kritikern bei den Kassen redet, werden diese schnell kleinlaut. Selbst SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach steht an Gröhes Seite: „Gröhe hat seine Arbeit fehlerfrei gemacht.“

Dass es mit dem Rx-Versandverbot nicht geklappt hat, ist eine der Niederlagen für Gröhe. Bis zuletzt hat er auf ein Einlenken der SPD gesetzt. Selbst beim entscheidenden Koalitionsgipfel waren die anwesenden SPD-Minister und der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz auf Gröhes Seite. Gescheitert ist Gröhe am Widerstand der SPD-Fraktion. Dort hatten Lauterbach und andere ein Bündnis der SPD-Linke und des Seeheimer Kreises geschmiedet.

Sein Einsatz für die Interessen der Apothekerschaft hat Gröhe in den Medien den Titel „Apothekenminister“ eingetragen. Das will er nicht auf sich sitzen lassen. Wenn er 14 Tage vor der Bundestagswahl zum Deutschen Apothekertag (DAT) nach Düsseldorf reist, will er nochmals Klartext reden. Als amtierender Gesundheitsminister wird Gröhe für die Union die Koalitionsverhandlungen in Sachen Gesundheit führen – und natürlich das Rx-Versandverbot erneut aufrufen. Ob er mit der FDP klar käme, wer weiß das schon. Jedenfalls ist Gröhe mit FDP-Chef Christian Lindner über das Politische hinaus persönlich befreundet. Das könnte helfen.

Aber den Apothekern will er nicht nach dem Mund reden: Große finanzielle Versprechungen wird es nicht geben für die kommenden vier Jahre. Mit den zusätzlichen 100 Millionen Euro für BtM und Rezeptur ist der Spielraum weitgehend ausgeschöpft. Auch die Ausschreibungsverbote für Zytostatika und Impfstoffen gehören in diese Bilanz. Vor großen Änderungen am Apothekenhonorar hat Gröhe den Apothekern schon in letzten Jahr abgeraten. Extra Honorare für Beratung oder andere Dienstleistungen schaffen nur unübersichtliche Bürokratie in den Offizinen.

Apothekenminister hin oder her: Auf jeden Fall hat sich Gröhe wie kein Minister zuvor um die Apothekerschaft gekümmert. Vier Mal hintereinander hat Gröhe dem DAT seine Aufwartung gemacht. Es könnte sein, dass es Gröhes letzter Auftritt wird.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Verzögerungen wegen „KOB light“?
ePA: Die Angst vor Abmahnungen
Mehr aus Ressort
Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN
Apotheken in der Warteschleife
294 Euro für alle – mit Ausnahmen
Berlin: Eine Stelle für den Kammerbeitrag
Ersatzkassen-Rabattverträge
Antibiotika: 9 von 14 kommen aus Europa

APOTHEKE ADHOC Debatte