Hennrich: Medizin-Personal, Alte und Kranke zuerst Lothar Klein, 20.05.2020 11:13 Uhr
Noch ist kein Impfstoff gegen das Corona-Virus gefunden. Trotzdem wird bereits über eine Impflicht diskutiert. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, fordert diese. Die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit. Dabei liegt das eigentliche Problem voraussichtlich in der verfügbaren Impfstoff-Menge. Nicht alle Bürger werden sofort gegen das Corona-Virus geimpft werden können. Daher fordert CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich eine Priorisierung: „Wir brauchen eine klare Linie und ein gestaffeltes Impfkonzept.“ Krankenhaus- und Pflegepersonal sowie vulnerable Personen müssten zuerst geimpft werden, fordert Hennrich. Die Bundesregierung hat bereits ein „risikoorientiertes Priorisierungskonzept“ beauftragt.
„Wir dürfen das Impfen gegen das Corona-Virus nicht dem Markt überlassen“, fordert Hennrich. Es dürfe kein „Windhundprinzip“ geben, bei dem der schnellere oder finanzkräftigere zuerst geimpft werde. Laut Hennrich sollten Krankenhaus- und Pflegepersonal und andere für die Versorgung und Infrastruktur wichtige Personengruppe bevorzugt mit einem Corona-Impfstoff geimpft werden. Anschließend kämen gesundheitliche Risikogruppen an die Reihe, ältere Menschen mit Vorerkrankungen.
So sieht es auch die Bundesregierung. In einer Antwort auf eine Anfrage der AfD heißt es: Aktuell stehe kein Impfstoff zum Schutz vor Covid-19 zur Verfügung. Laut einer aktuellen Übersicht befänden sich mit Stand 8. April 2020 mehr als 100 Impfstoff-Kandidaten in der Entwicklung. „Die meisten Impfstoff-Kandidaten befinden sich derzeit noch in der präklinischen beziehungsweise explorativen Entwicklungsphase, einige Kandidaten werden bereits in klinischen Phase I Studien untersucht (Stand 15. April 2020).“ Derzeit sei unklar, wann ein zugelassener Impfstoff zum Schutz von COVID-19 zur Verfügung stehen werde.
Die Bundesregierung prüfe derzeit, bei aussichtsreichen Entwicklungen unterstützende Maßnahmen mit den Entwicklern zu vereinbaren, damit parallel zur wissenschaftlichen Entwicklung des Impfstoffs bereits ausreichende Produktionskapazitäten für einen Impfstoff aufgebaut werden können. „Zudem wird es erforderlich sein, Bevölkerungsgruppen zu definieren, die von einer Covid-19 Impfung besonders profitieren werden, wie beispielsweise vulnerable Personen und das medizinische Personal.“ Vor diesem Hintergrund sei die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (RKI) beauftragt worden, ein „risikoorientiertes Priorisierungskonzept“ für eine mögliche Impfoption zu entwickeln, „da nicht damit zu rechnen ist, dass unmittelbar ausreichend Impfstoff für die Gesamtbevölkerung zur Verfügung steht“.
„Ich war für die Impflicht bei Masern. Ich bin auch hier für eine Impfpflicht“, sagte dagegen Montgomery den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die deutsche Regierung müsse mit gesetzlichen Maßnahmen dafür sorgen, „dass nicht derjenige als Erster geimpft wird, der am meisten dafür zahlt“. „Als Erstes müssen die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und die Mitarbeiter in den Kliniken geimpft werden. Ich fürchte aber, dass auch hierzulande ein Schwarzmarkt entstehen wird.“ Dazu komme ein anderes Problem, sagte Montgomery: „Es wird Leute geben, die sich nicht impfen lassen wollen. Infizieren sie sich, sind sie eine Gefahr für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Wir müssen deshalb möglichst viele Menschen impfen.“
Der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, lehnt eine Impfpflicht gegen das Coronavirus bislang ab: „Wir haben keinen Anlass, an eine Impfpflicht zu denken.“ Die Bürger seien definitiv klug genug zu wissen, wenn es einen sicheren Impfstoff gebe, dass dieser ihre Gesundheit fördern würde. Nach Aussagen von Kanzleramtschef Helge Braun wird es eine solche Impfpflicht in Deutschland auch nicht geben. Wenn ein Impfstoff vorliege, sei es gut, wenn sich viele impfen lassen. Aber das entscheide jeder selbst, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wer das nicht will, muss das Risiko einer Infektion selbst tragen“, betonte Braun. Er hoffe auf einen Impfstoff für die breite Bevölkerung zwischen Anfang und Mitte nächsten Jahres. Dann könne man auch zum normalen Leben zurückkehren.
Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) zeigte sich indes angesichts der Impfstoffentwicklungen zuversichtlich. „Deutschland unterstützt die Impfstoffentwicklung breit – international wie national – insgesamt mit fast einer Milliarde Euro. Das ist gut angelegtes Geld“, sagte Karliczek der Passauer Neue Presse. „Mit der Zulassung und Massenproduktion eines Impfstoffs sollte man auch im günstigsten Fall jedoch nicht vor dem nächsten Sommer rechnen.“ Zum Thema Impfstoff sei vor einigen Wochen eine Arbeitsgruppe beim RKI gegründet worden, sagte Wieler. Diese würde sich damit befassen, sofern es einen Impfstoff gebe, welche Bevölkerungsgruppen wie geimpft werden könnten.