In der kommenden Woche wird die Regierungskoalition das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) verabschieden. Darin geht es auch um Maßnahmen gegen die Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Erwartet werden noch Änderungsanträge dazu von Union und SPD. CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich kündigte bei der Berliner Runde des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) an, mit Blick auf den Mehraufwand bei den Apotheken für „Entlastung“ zu sorgen, denn: „Apotheken sind die Leidtragenden beim Management von Lieferengpässen.“ Details dazu nannte Hennrich aber nicht.
Zu einem zweiten Aspekt schraubte Hennrich aufgekommen Erwartungen herunter: Es wird wohl keine Änderungen bei Rabattverträgen geben. „Änderungen bei Ausschreibungen von Rabattverträgen“ würden „noch etwas länger dauern“, so Hennrich. Allerdings leide durch die Lieferengpässe die Akzeptanz von Rabattverträgen in der Öffentlichkeit und bei den Patienten. Hennrich riet den Kassen, die Praxis der Ausschreibungen selbst zu prüfen: „Es wäre klug, von der Exklusivität wegzukommen.“
Derzeit bereiten Union und SPD noch weitere Änderungsanträge zum FKG vor. Diese sollen kommende Woche zunächst in den Arbeitsgruppen Gesundheit der Koalitionsfraktion diskutiert und gegebenenfalls im Gesundheitsausschuss verabschiedet werden, bevor der Bundestag das FKG am Donnerstag beschließt. Aus dem Rennen sind damit Forderungen, exklusive Rabattverträge mit nur einem Hersteller zu verbieten. Dies war unter anderem mehrfach auch vom Deutschen Apothekerverband (DAV) gefordert worden.
Keine großen Hoffnungen machen sollten sich Apotheker auf – wie ebenfalls vom DAV gefordert – zusätzliches Honorar für den Mehraufwand bei der Bewältigung der Lieferengpassprobleme. Stattdessen ist geplant, die im FKG vorgesehene 24 Stunden-Regelung für die Austauschbarkeit von nicht lieferfähigen Arzneimitteln wieder zu streichen und durch eine andere Variante zu ersetzen.
Die Gesundheitspolitiker von Union und SPD hatten zum FKG bereits Änderungsanträge vorgelegt. Apotheker sollen danach künftig Rabattarzneimittel nach 24-stündiger Lieferunfähigkeit gegen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen können. Die Vertragspartner des Rahmenvertrags hätten eine bedarfsgerechte Versorgung mit rabattierten Arzneimitteln sicherzustellen, heißt es in der Begründung zur geplanten erweiterten Austauschbarkeit: „Nach Ablauf von 24 Stunden werden deshalb die Apotheken berechtigt, ein anderes wirkstoffgleiches, auch nicht rabattiertes Arzneimittel abzugeben. Das abzugebende Arzneimittel darf nicht teurer sein als das verordnete Arzneimittel“, heißt es im bisherigen FKG-Entwurf.
Ersetzt werden soll diese Regelung dem Vernehmen nach durch die Vorgaben des zwischen DAV und dem GKV-Spitzenverband geschlossenen Rahmenvertrags. Danach können Apotheker ein nicht lieferbares Rabattarzneimittel gegen das nächst teurere austauschen, wenn es bei zwei Großhandlungen defekt gemeldet ist. Genau diese Forderung wiederholte jetzt DAV-Chef Fritz Becker bei der Berliner Runde des BAH: „Wir erleben völlig verzweifelte Patienten. Wir brauchen dringend Regelungen.“ Ein Patient sei 160 Kilometer zu einer anderen Apotheke gefahren, um sein benötigtes Arzneimittel zu erhalten. Die bisher von der Koalition vorgesehene 24-Stunden-Regelung bedeute eine „absolute Verschlechterung“. Becker sagte an die Adresse von Hennrich: „Wir wollen sofort reagieren, so verlieren wir aber 23 Stunden.“
Erneut forderte Becker für den Mehraufwand der Apotheker für den Umgang mit Liederengpässe einen finanziellen Ausgleich. Es gebe „Riesenprobleme“ mit dem Dokumentationsaufwand, mit den Erläuterungen mit den Patienten, auch die Rücksprachen mit den Ärzten kosteten einen „hohen zeitlichen Aufwand“. 68 Prozent der Apotheker veranschlagten den Mehraufwand auf 10 Prozent der Arbeitszeit, 18 Prozent sogar auf 20 Prozent. Dafür müssten die Apotheker extra honoriert werden, forderte Becker. Diese Forderung wird die Koalition dem Vernehmen nach aber nicht erfüllen.
Hennrich geht davon aus, dass auch das Thema Abschaffung der Importförderklausel noch einmal aufgegriffen wird – auf europäischer Ebene: „Ich kann mir eine Lösung auf EU-Ebene vorstellen.“ Die Erwartungshaltung an Deutschland im Rahmen der EU-Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2020 sei groß. Auch der Druck auf die Selbstverwaltung, nach Lösungen zu suchen, werde steigen, so Hennrich.
Für den Phagro warnte dessen Geschäftsführer Thomas Porstner die Regierungskoalition, die Fristen für die Lagerhaltung von versorgungsrelevanten Arzneimitteln beim Großhandel über zwei Wochen hinaus zu verlängern: „Es gibt keine Evidenz für den Erfolg einer solchen Maßnahme.“ Zudem verwies Porstner auf die damit verbundenen Kosten. Zuvor hatte Hennrich eine Verlängerung auf sechs Wochen als mögliche Maßnahme ins Gespräch gebracht. Darüber gebe es aber noch eine „offene Diskussion“ in der Koalition, so Hennrich. Der CDU-Politiker riet dem Großhandel in diesem Kontext, „mehr in die Bevorratung zu investieren und Abstriche bei der Lieferfrequenz“ zu machen. An die Adresse des Phagro richtete Hennrich mit Blick auf das Kostenargument und die täglichen Mehrfachlieferungen eine Warnung: „Das Logistiksystem des Großhandels ist absurd. Darüber sollten sie sich Gedanken machen.“
Für den BAH erklärte Vorstandsmitglied Dr. Ralf Mayr-Stein sich einverstanden mit einer Verbesserung der Transparenz des Marktgeschehens. Wie der Phagro lehnte auch er die Ausweitung der Lagerhaltung ab. Das habe nur „sehr begrenzte Wirkung“. Stattdessen forderte Mayr-Stein über die Preisfolgen der Rabattverträge nachzudenken. Das Preisniveau sei soweit runtergeregelt, das „lohnt nicht mehr“. Auf seinem Schreibtisch als Mylan Germany-Politikchef lägen aktuell 40 PZN zur Rentabilitätsprüfung.
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