Henke warnt: Nicht Impfen, nicht dispensieren APOTHEKE ADHOC, 15.01.2020 11:42 Uhr
Den traditionellen Neujahrsempfang der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) nutze deren neuer Präsident Dr. Armin Hoffmann zu einem Appell zur kollegialen Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten. Vor 200 Repräsentanten des Gesundheitssystems nicht nur aus NRW sagte er: „Das beweist uns und mir, dass wir uns im Sinne unseres Gesundheitssystems sehr gerne zusammentun, um etwas zu bewegen. Und das ist heute wohl notwendiger als jemals zuvor.“ Als Gastredner warnte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, allerdings vor Grippeimpfungen durch Apotheker.
Sich zusammentun, zusammenrücken – auf diese Wortspiele griff Kammerpräsident Hoffmann laut Mitteilung der AKNR in seiner Begrüßungsrede immer wieder zurück. Denn nur so funktioniere auch eine hervorragende Versorgung von Patienten – indem alle, die sich tagtäglich für die Gesundheit der Menschen in unserem Land engagieren, zusammenstehen. Wäre da nicht die Bürokratie, „die uns im Gesundheitswesen das Leben mehr als schwierig macht...“. Als Beispiele aus dem Alltag der Apotheken nannte er in diesem Zusammenhang Lieferengpässe, Retaxationen und Securpharm.
Zusammenrücken heißt für mich übrigens keinen Platz wegnehmen, sondern seinen Platz finden“, so Hoffmann weiter. Und so war das gewiss kein Zufall, dass Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, beim Neujahrsempfang als Gastredner dabei war. „Dass Sie, lieber Herr Henke, heute unser Gastredner sind, ist für mich das beste Zeichen für dieses Zusammenrücken“, sagte Hoffmann.
Wie wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern ist, verdeutlichte Hoffmann mit Beispielen. Zum einen erwähnte er die Initiative CIRS-NRW, es ist ein Lern- und Berichtssystem für kritische Ereignisse in der Patientenversorgung. Durch den Beitritt der AKNR zu diesem wichtigen Netzwerk im vergangenen Jahr würde die Apothekerschaft ihre „pharmazeutische Expertise zum weiteren Ausbau einer konstruktiven Risiko-und Sicherheitskultur“ einbringen. Zum anderen gelte dies auch für das von der AKNR entwickelte ATHINA-Projekt zur Arzneimitteltherapie-Sicherheit in den Apotheken, welches inzwischen auch elf weitere Kammern umsetzen.
Ferner belege auch die vor wenigen Monaten publizierte PHARM-CHF-Studie („Pharmacy-based interdisciplinary Program for Patients with Chronic Heart Failure“), wie bedeutend eine kontinuierliche und interdisziplinäre Intervention für Patienten mit Herzinsuffizienz sei. Mit Blick auf die Ergebnisse dieser Studie „befürwortet auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie eine Zusammenarbeit zwischen Arztpraxen und Apotheken, wie sie in der Studie erprobt wurde“, erläuterte Hoffmann.
Nicht nur die Bürokratie, vielmehr auch die Kommerzialisierung, Ökonomisierung und Industrialisierung seien „erhebliche Bedrohungen für unsere freien Heilberufe und für unsere unabhängigen Apotheken und Praxen“, kritisierte Hoffmann. Auch hier müssten Ärzte und Apotheken daher stets eng zusammenstehen und schauen, wer für welche Aufgabe besser geeignet sei, schauen, welche Berufsgruppe hier ihre besondere Kompetenz einbringen könne. „Apotheker, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten sind Profis, haben schon so viele Spiele erfolgreich bestritten und für die Gesundheit der Menschen erfolgreich gekämpft. Zur rechten Zeit abspielen, den besser postierten Mitspieler finden, sich gemeinsam bis zum Torerfolg kombinieren, das ist der Schlüssel zum Erfolg unseres frei- und heilberuflichen Teams“, so Hoffmann.
Dann sprach Hoffmann das Reizthema Grippeimpfung durch Apotheker an: „Da war doch noch was: Ja richtig, das Impfen.“ Impfen sei das Beste, was je für die Gesundheit entwickelt wurde, erklärte der Präsident. Darum hätten sich die beiden Kammern, die AKNR und die Ärztekammer Nordrhein, im Mai 2019 mit einem gemeinsamen Impfappell an die Bevölkerung im Rheinland gewandt. Doch nun sei eine „Regeländerung eingetreten, nach der wir nicht gerufen haben, die aber der oberste Regelhüter beschlossen hat und die uns in die Pflicht nimmt“, sagte Hoffmann in Anspielung auf das im Dezember vom Bundestag beschlossene Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen in den Apotheken. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das hinkriegen, sehr geehrter Herr Henke“, sagte Hoffmann in Richtung des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein.
Ähnlich wie sein Vorgänger Lutz Engelen kritisierte auch Hoffmann das EuGH-Urteil aus dem Jahr 2016: Es sei „unverständlich, inakzeptabel und unzumutbar“. „Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Vor-Ort- Apotheken stärken, so zumindest der Titel seines Gesetzentwurfs. Aber mit der Aufgabe des einheitlichen Arzneimittelpreises gefährdet er eine tragende Säule des deutschen solidarischen Krankenversicherungssystems, er zerstört die Arzneimittelpreisbindung“, beanstandete der AKNR-Präsident.
Rudolf Henke betonte in seinem Gastbeitrag ebenso wie Hoffmann immer wieder, wie unabdingbar heutzutage eine enge Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten sei. Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis seien die Lieferengpässe von Arzneimitteln. „Um die Patienten in solchen Fällen bestmöglich und individuell zu versorgen, brauchen wir enge Absprachen zwischen dem behandelnden Arzt und dem Apothekerteam“, bekräftigte Henke. Außerdem wies er auf die Vorzüge einer „sinnvollen Arbeitsteilung“ hin, die sich schon seit Langem bewähre: „Jeder sollte das machen, was er am besten kann. Und wir in der Ärztekammer Nordrhein sind unverändert davon überzeugt, dass wir Impfen in Apotheken genauso wenig brauchen wie etwa ein Dispensierrecht für uns Ärzte“, so der Präsident der nordrheinischen Ärztekammer.
Um die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker auch bildlich zu verdeutlichen, übergab Hoffmann dem Präsidenten seiner Schwesterkammer anschließend ein Trikot mit der Aufschrift „A-Team – Für die Patienten“. Schließlich sei die interdisziplinäre Weiterentwicklung des Gesundheitssystems ihm und der Vizepräsidentin Kathrin Hollingshaus ein wesentliches Anliegen. Aber nicht nur das: „Wir haben im Jahr 2020 noch sehr viel vor“, sagte Hoffmann. Unter anderem möchte die neue Führungsspitze an einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung der inhabergeführten Apothekenwelt, der Erneuerung des Berufsbildes für Apotheker sowie an der Nachwuchsgewinnung arbeiten.