Hausärztinnen und Hausärzte sollen zur Absicherung der Versorgung vor Ort bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Das sieht der Gesetzentwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor, den das Bundeskabinett heute auf den Weg gebracht hat.
Konkret sollen für Hausärzt:innen wie schon für Kinderärzt:innen Obergrenzen bei der Vergütung aufgehoben werden. Eingeführt werden soll unter anderem auch eine Jahrespauschale zur Behandlung chronisch kranker Patienten, die ständig Arzneimittel nehmen. Dies soll Praxisbesuche nur zum Abholen von Rezepten vermeiden und insgesamt mehr Behandlungsfreiräume schaffen.
Zielsetzung der Pläne ist auch, angesichts einer weiteren Ruhestandswelle bei Hausärzt:innen ein flächendeckendes Praxisnetz aufrechtzuerhalten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu: „Unser Gesundheitssystem braucht eine Generalüberholung, um stark zu bleiben. Parallel zur Krankenhausreform ist die Reform der ambulanten Versorgung deswegen zwingend notwendig. Dafür machen wir zunächst die Arbeit der Hausärztinnen und Hausärzte attraktiver, streichen Budgetvorgaben und schaffen die bürokratischen Quartalspauschalen ab.“
Zudem seien Arzttermine leichter zu bekommen, unnötige Arztbesuche würden wegfallen, Wartezeiten in den Praxen vermieden. Auch das Angebot im Bereich der Psychotherapie soll nun dadurch verbessert werden.
Es soll nun deutlich attraktiver werden, Hausärztin oder Hausarzt zu werden und zusätzlich soll die ambulante regionale Versorgung gestärkt werden.
Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes, hält wenig vom GVSG. Von „Wenig Mehrwert für viel Beitragsgeld“ ist bei den Kassen die Rede. „Die Gesundheitsversorgung für GKV-Versicherte weiter zu stärken, ist ein richtiger und notwendiger Schritt. Dieses Ziel wird mit dem GVSG jedoch vereitelt, da durch die vorgesehene Entbudgetierung künftig weniger Anreize bestehen werden, ärztliche Praxen in ländlichen Räumen zu führen“, so Stoff-Ahnis. „Die Budgetierung hat sich als Steuerungsinstrument gerade im Bereich der hausärztlichen Versorgung bewährt, um bedarfsnotwendige Praxen besser zu honorieren.“
Dass hingegen die Gesundheitskioske aus dem Gesetz gestrichen wurden, begrüßen auch die Kassen. In einer früheren Version des Referentenentwurfs waren diese noch enthalten, genauso wie die Förderung der Medizinstudienplätze. „Das ist sehr zu begrüßen, da eine Finanzierung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgaben über die GKV ordnungspolitisch falsch ist und sie die Beitragszahlenden mit jährlich hunderten von Millionen Euro belastet hätte. Ebenso gestrichen wurde die verpflichtende Boni-Auszahlung für die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung, die, ohne die Versorgung zu verbessern, ebenfalls zu erheblichen Mehrausgaben für die GKV geführt hätte“, heißt es weiter.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) meint: „Das GVSG in dieser Kabinettsfassung soll die ambulante Versorgung stärken. Dieses Anliegen unterstützen die Ersatzkassen. Jedoch wird das mit der vorgesehenen Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung nicht gelingen, sondern möglicherweise sogar das Gegenteil erreicht. Sie erhöht vor allem die Attraktivität der ärztlichen Betätigung in Ballungsräumen. Ländliche Regionen, die eine Stärkung brauchen, profitieren weit weniger. Dies führt außerdem zu Mehrbelastungen der beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber in Höhe von geschätzt jährlich 300 Millionen Euro.“
Nun seien die Abgeordneten „im weiteren politischen Verfahren dringend gefordert, Nachbesserungen an dem Gesetz vorzunehmen, die zu einer besseren Versorgung der Versicherten gerade in strukturschwachen Regionen führen. Dazu gehören eine bessere Vernetzung, Digitalisierung und mehr und schnellere Arzttermine für die Patientinnen und Patienten“, so Elsner weiter.
Auch die AOK fordert Nachbesserungen: „Bisher ist das GVSG ein Gesetz der verpassten Chancen. Daran hat sich auch mit der heute beschlossenen Kabinettsfassung nichts geändert. Es bleibt in erster Linie ein Vergütungs-Steigerungsgesetz für Hausärztinnen und Hausärzte“, so Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. „Wir hoffen, dass es im weiteren parlamentarischen Verfahren noch mehr Substanz bekommt, indem innovative Ansätze zur Stärkung der regionalen Gesundheitsversorgung wieder an Bedeutung gewinnen. Unsere Vorschläge für eine regionale, sektorenunabhängige Versorgung liegen auf dem Tisch und können von den Ampel-Koalitionären genutzt werden.“
Nicht berücksichtigt seien zudem die Auswirkungen der getroffenen Regelungen „zur Umsetzung der Jahrespauschale auf den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen. Dies muss dringend nachgeholt werden, damit die Jahrespauschale nicht zu ungewollten Verwerfungen zwischen den Kassen führt“, so Hoyer.
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