Totimpfstoffe bald auch vom Apotheker?

Hausärzte: Apotheken sollten lieber beraten statt impfen Laura Schulz, 17.06.2024 13:00 Uhr

Noch mehr Impfungen in Apotheken? Dafür zeigen die Hausärzt:innen wenig Verständnis. Foto: MAGNIFIER/shutterstock.com
Berlin - 

Der Referententwurf zur geplanten Apothekenreform wirbelte die Branche in der vergangenen Woche durcheinander. Aus anderen Lagern, wie von den Krankenkassen oder den Praxen, blieb es verhältnismäßig ruhig. Jetzt hat sich auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband geäußert. Er steht der Erweiterung möglicher Impfungen in Apotheken kritisch gegenüber. Das Vorhaben sei „eine Sackgasse“. Auch die angestrebten In-vitro-Diagnostika hätten in Apotheken nichts zu suchen, so die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM).

Bisher können Apotheken gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 impfen und Grippeschutzimpfungen geben. Gemäß der Reformpläne aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sollen zukünftig auch alle Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen in der Apotheke durchgeführt werden dürfen, also gegen Diphtherie, Hepatitis B, Polio, Keuchhusten und Tetanus sowie gegen FSME und Pneumokokken. Das BMG rechnet mit Einsparungen für den Fall, dass die noch zu verhandelnde Vergütung der Apotheken niedriger als für Ärzte ausfällt.

„Dass zukünftig Apotheken alle möglichen Impfungen – von der Tetanus- bis zur FSME-Impfung –anbieten können, ist eine Sackgasse und wird nicht dazu führen, dass die Impfquoten steigen“, Professor Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier, die beiden Bundesvorsitzenden des Verbandes. „Dass diese Rechnung nicht aufgeht, zeigt die sehr geringe Anzahl an Corona- und Grippeimpfungen, die in den letzten Jahren in den Apotheken durchgeführt wurden – und das, obwohl massiv hierfür geworben wurde.“

Hinzu komme, dass die meisten Apotheken gar keine Impfungen anbieten würden. „Das ist auch nachvollziehbar, denn sie sind in aller Regel mit ihren Kernaufgaben mehr als ausgelastet. Statt aus diesen Fakten die richtigen Schlüsse zu ziehen, plant der Gesetzgeber das Impfangebot in den Apotheken nun sogar massiv auszuweiten“, so die Verbandsvorsitzenden weiter. Stattdessen gebe es doch mehrere zehntausend Praxen, in denen sich Patient:innen jederzeit impfen lassen könnten. Ein erweitertes Angebot brauche es an dieser Stelle nicht. „Das Problem ist vielmehr, dass es zu häufig keine klaren Verantwortlichkeiten gibt.“

Stattdessen Bündelung bei Hausärzten

Impfungen gehören daher gesammelt in die Hausarztpraxen, so der Verband. „So kann sichergestellt werden, dass jemand den Gesamtüberblick über notwendige beziehungsweise fehlende Impfungen hat. Dass diese Bündelung der Verantwortung funktioniert, zeigen die Zahlen aus der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Laut Erhebungen von Krankenkassen sind die Impfquoten in der HZV knapp zehn Prozent höher als in der Regelversorgung! Wenn hingegen alle ein bisschen impfen, ist am Ende niemand wirklich verantwortlich.“

Statt die Apotheken fachfremde Leistungen durchführen zu lassen, sei hier die Stärkung der eigentlichen Beratungskompetenzen notwendig „und einen festen Prozess zu etablieren“. So könnten Impflücken wiederum durch das Apothekenpersonal erkannt werden, die dann „strukturiert in die Praxen […] vermitteln“ sollen. „Dies wäre der deutlich zielführendere Weg und würde gleichzeitig auch den administrativen Aufwand für die Apotheken reduzieren.“

„Labordiagnostik gehört in ärztliche Hände!“

Auch die Pläne zur Durchführung und Werbung für In-vitro-Diagnostika für nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen in Apotheken erzeugen Gegenwehr. Schnelltests (POCT) zum Nachweis von Adenovirus, Influenzavirus, Norovirus, RSV und Rotavirus gehörten in Ärzte-Hand, so der ALM-Vorsitzende Dr. Michael Müller. Das habe bereits die Pandemie bewiesen.

Heute verfügbare Schnelltests seien wegen nicht ausreichender Sensitivität nicht für die Diagnosestellung geeignet, so der Berufsverband. Zudem müsste bei Infektionserkrankungen das Risiko von Ausbruchsgeschehen erfasst und bewertet werden. Das seien Dinge, die in Apotheken nicht geleistet werden könnten, genauso wenig wie die ärztliche Beratung und die klinische Untersuchung. „Apotheken sind doch keine Labore; In-vitro-Labordiagnostik zur Feststellung von Infektionserkrankungen gehört in ärztliche Hände! Eine Ausweitung der Aufhebung des Arztvorbehaltes zur Diagnosefeststellung von Infektionserkrankungen ist im Sinne einer qualitativ bestmöglichen Versorgung daher abzulehnen“, so Dr. Müller weiter.

„Nach Vorstellung des Ministers sollen kranke Menschen mit Stuhlproben in die Apotheke gehen, die dort aus dem flüssigen Stuhl die Schnelltests und später dann auch noch die PCR durchführen? Dafür sollen die Apotheken dann auch noch Werbung machen dürfen? Das kann man doch nicht ernsthaft wollen“, spitzt Müller den Sachverhalt zu. Zudem lasse der Entwurf diesbezüglich alles offen, was die Kosten und die Umsetzung der Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz angeht. Stattdessen könnten doch auch Labore dezentrale Probenentnahmestellen einrichten dürfen, so ein Gegenvorschlag. „Das würde insbesondere auf dem Lande die patientennahe Sicherstellung der Versorgung mit bestmöglicher Labordiagnostik im Sinne einer hohen Sicherheit in der Patientenversorgung erleichtern“, heißt es.