Haucap: 450 Millionen bei Apotheken sparen Alexander Müller, 23.02.2011 12:13 Uhr
Der Ökonom Professor Dr. Justus Haucap sieht ein Einsparpotenzial von fast 450 Millionen Euro im Apothekenmarkt. Das geht aus einem Gutachten hervor, das der Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie im Auftrag der PR-Firma „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) erstellt hat. Die Vorschläge sind alt: Apothekenketten erlauben und das Apothekenhonorar zur Verhandlung freigeben. 1000 Apotheken müssten nach der Modellrechnung schließen.
Haucap will das aus seiner Sicht „relativ komplizierte Vergütungssystem“ mit Fixpauschale und Kassenabschlag abschaffen und durch eine flexible „Apothekentaxe“ ersetzen. Demnach könnte der Apotheker seine Vergütung bis zu einer Obergrenze von zehn Euro selbst festlegen. Im Extremfall würde er das Arzneimittel umsonst abgeben. Haucap rechnet aber damit, dass sich die Pharmazeuten durch Verhandlungen im Einkauf Gewinne erzielen könnten.
Bei zuzahlungsbefreiten Versicherten soll die Apothekentaxe zunächst vom Patienten bezahlt und später von der Krankenkasse als Pauschale zurückerstattet werden. Liegt diese über der Taxe, kann der Versicherte die Differenz einstecken, im anderen Fall trägt er die Kosten selbst.
Eine vollkommene Freigabe des Arzneimittelhandels sei allerdings weder ökonomisch noch gesundheitspolitisch wünschenswert: „Die Notwendigkeit der Regulierung des Apothekenmarktes rechtfertigt gleichwohl nicht automatisch jedwede Regulierung“, so Haucap. Für den Patienten sei ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidend.
Die Auswirkungen auf den Markt haben die Autoren des Gutachtens in drei Szenarien geschätzt: Bei der ersten Variante schließen 500 Apotheken, was Einsparungen bei den Personal- und Fixkosten von 105 Millionen Euro freisetzt. Je nach Intensität des Wettbewerbs seien sogar Einsparungen von 211 bis zu 448 Millionen Euro möglich. Bei der extremsten Variante schließen 1000 Apotheken, und die durchschnittliche Apothekentaxe sinkt weiter. Weiteres Einsparpotenzial sieht Haucap im Betrieb von Gemeinschaftslabors bei Filialapotheken oder „kleinen Apothekenketten“.
Eine Verschlechterung der Versorgung befürchtet Haucap nicht. Im Gegenteil: Landapotheken könnten aufgrund geringerer Konkurrenz eine höhere Taxe erheben als Innenstadtapotheken, meint der Ökonom. Schließungen erwartet er deshalb vor allem in überversorgten Ballungszentren. Allerdings musste Haucap zugeben, dass das Überleben von Apotheken auf dem Land maßgeblich von der Präsenz eines Arztes abhängig ist.
Haucap macht sich in seinem neuen Gutachten auch wieder für Pick-up-Stellen stark. In ländlichen Gegenden könnten Patienten ihre Rezepte in einem Drogeriemarkt abgeben. Auf Nachfrage, ob sie dann nicht der Apotheke mit der hohen Apothekentaxe Konkurrenz machen würden, sagte Haucap, Pick-up-Stellen würden sich vornehmlich in Ballungszentren lohnen. Im Übrigen sei im Versandhandel der Verkauf von OTC-Präparaten vorherrschend.
Seine Forderungen hatte Haucap schon in seiner Funktion als Chef der Monopolkommission unterbreitet. Doch die Bundesregierung hatte die Vorschläge in ihrer Stellungnahme zum Jahresgutachten der Kommission durch die Bank abgelehnt. Haucap ficht das nicht an: Die Regierung habe nur auf Grundlage der derzeitigen Rechtslage geurteilt und keinerlei ökonomische Bewertung vorgenommen, sagte er gegenüber APOTHEKE ADHOC.