BKK-Rabattverträge

Harte Regeln für Apotheker Alexander Müller, 04.09.2009 11:48 Uhr

Berlin - 

Die neuen Rabattverträge der Betriebskrankenkassen bringen für die Apotheker neue Regeln. Dies geht aus den Ausschreibungsunterlagen hervor, die APOTHEKE ADHOC vorliegen. Zwar soll es - anders als bei den neuen AOK-Verträgen - Zuschläge für jeweils vier Hersteller pro Fachlos geben. Eine freie Auswahl haben die Apotheken trotzdem nicht: Sie müssen die Arzneimittel der Rabattpartner in einer vorgegebenen Reihenfolge abgeben. Ansonsten droht das Gemeinschaftsunternehmen Spectrum K mit Retaxationen.

79 BKKen sowie der Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung hatten Ende Juli die Ausschreibung über 52 Wirkstoffe in 79 Fachlosen bekannt gegeben. Nachdem sich Spektrum K durch das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Essen zu den DAK-Verträgen in seiner eigenen Ausschreibung bestätigt sieht, sollen die Verträge Anfang 2010 in Kraft treten.

In der kommenden Woche will Spektrum K die Apotheker über das vorgesehene Verfahren informieren. In dem Entwurf zum Schreiben werden die Vorteile der vier Zuschläge angepriesen: Liefersicherheit, eine Auswahl gleich bleibender Partner, aktiver Mittelstandsschutz sowie die Ausweichmöglichkeiten zwischen vier Produkten. „Ärzte, Apotheker und Versicherte können aus den vier Produkten das geeignete aussuchen“, heißt es.

Allerdings ist die Auswahl streng begrenzt: Unter Verweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot verlangt Spectrum K von den Apothekern, zunächst immer den Ausschreibungsgewinner abzugeben. Auf die anderen drei (in ihrer Reihenfolge) dürfen die Pharmazeuten nur ausweichen, wenn es beim Erstplatzierten nachweislich Lieferverzögerungen gibt oder das Arzneimittel aus anderen Gründen nicht geeignet erscheint. Als vierter Rabattpartner benötigt man da schon viel Glück und einen guten Draht in die Apotheke.

Bemerkenswert vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Austauschbarkeit von Generika: Als Grund für die Nichteignung erkennt Spectrum K an, dass das Rabattarzneimittel in der zugelassenen Indikation nicht mit dem verordneten Medikament übereinstimmt.

Spectrum K will überprüfen, ob sich die Apotheker an die Rangfolge halten. „Sollte sich bei der Auswertung ergeben, dass bestimmte Apotheken grundsätzlich (d.h. systematisch) von der Bedienung der Rabattverträge oder innerhalb der Rangfolge der Arzneimittel abweichen, so wird Spectrum K dies als Grundlage für Retaxierungen dieser Apotheken verwenden.“ Auch die Hersteller werden informiert: „Für ein Fehlverhalten der Apotheker hat die Krankenkasse gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmen nicht einzustehen.“

Die Vorgaben für die Hersteller sind hoch: Eingestiegen wird mit Mindestrabatten; Grundlage für die Gebote sind vorgegebene Preisanker - ausgehend vom Mittelwert der drei preisgünstigsten Präparate. Die Firmen können also deutlich mehr Rückschlüsse über die Angebote ihrer Konkurrenten ziehen.

Die Rabatte der Hersteller auf den Mindestwert steigen je nach abgegebener Menge. Die Firmen müssen daher pro Wirkstoff mehrere Angebote abgeben. Für fünf verschiedene Mengenklassen macht Spektrum K Mindestrabattanforderungen. „Angebote, die die genannte Voraussetzung nicht beinhalten, werden zwingend von der Prüfung ausgeschlossen“, heißt es in den Bewerbungsdokumenten.

Nach acht Monaten führt Spectrum K eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durch. Sollten die aktuellen Marktpreise unter die in den Verträgen vereinbarten Preise gefallen sein, werden die vier Gewinner zu Nachverhandlungen einbestellt.

Allerdings sind die formalen Anforderungen deutlich geringer als beispielsweise bei den Ausschreibungen der AOK. Während die AOK Kopien der Zulassungsbescheide sämtlicher Wirkstoffe verlangt und für die Aktenmassen eigens eine Etage frei geräumt hat, ist die Ausschreibung von Spectrum K komplett online. Als Belege für Leistungsfähigkeit, Herstellungserlaubnis und Zuverlässigkeit sowie über die Zulassungen der Arzneimittel reichen Eigenerklärungen aus.

Der Ausschreibung wurden in der Branche aufgrund der eigenwilligen neuen Vorgaben anfangs kaum Chancen eingeräumt. Hinter vorgehaltener Hand wurde sogar gemunkelt, Spectrum K wolle die Ausschreibung absichtlich vor die Wand fahren lassen. Wenn Vergabekammern und Landessozialgerichte die Zuschlagserteilung verhinderten, könnten die Kassen ihre vom Gesetzgeber nicht mehr gern gesehenen Sortimentsverträge weiterlaufen lassen. Nach dem Motto: Wir haben es doch versucht.

Bei Spectrum K weist man dies entschieden zurück: „Das ist alles andere als eine Luftnummer. Wir machen uns hier ja keine unnötige Arbeit“, sagte ein Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Rabattverträge könnten Patientenbedürfnisse optimal abdecken und die Herstellervielfalt erhalten.