Hamburg

BVDA akzeptiert AOK-Hilfsmittelvertrag

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Berlin -

Während der Hamburger Apothekerverein (HAV) mit der AOK Rheinland/Hamburg noch über die Kündigung des Hilfsmittelvertrages streitet, hat die Kasse schon einen neuen Partner. Der Bundesverband Deutscher Apotheker (BVDA) hat mit der AOK einen umfassenden Vertrag über mehr als 20 Produktgruppen geschlossen, der heute in Kraft getreten ist. Beitreten kann jeder Apotheker – vermutlich aber zu deutlich schlechteren Konditionen als bislang.

Die AOK hatte Mitte April einen neuen Hilfsmittelrahmenvertrag im Bundesanzeiger veröffentlicht, der ab Juli die einheitliche Grundlage für alle Vereinbarungen ist. Anfang des Jahres hatte die Kasse außerdem die Produktgruppen Tracheostoma (12), Inkontinenzhilfen (15) und Stomaartikel (29) ausgeschrieben. Diese Verträge gelten ebenfalls seit Juli – bislang aber ohne einen Apothekerverband als Partner.

Jetzt ist der BVDA dem Vertrag beigetreten. Damit gelten für teilnehmende Apotheken dieselben Bedingungen wie für Sanitätshäuser und Home-Care-Unternehmen. Alle Apotheken können dem Vertrag beitreten, dazu müssen sie nicht Mitglied im BVDA sein.

Mit dem BVDA-Vertrag verpflichten sich die Apotheken, vor jeder Belieferung einen Kostenvoranschlag bei der AOK einzureichen und die Patienten erst nach schriftlicher Genehmigung zu beliefern. Davon ausgenommen sind lediglich einige Leistungen der Produktbereiche 12, 15 und 29, die in den Anlagen des Vertrags geregelt sind.

„Mir ist völlig unverständlich, wie man so etwas akzeptieren kann“, so Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins. Aus seiner Sicht ist der Vertrag mit viel Aufwand für die Apotheker und großen Unsicherheiten verbunden: So werde etwa zwischen Pauschalen für leichte, mittlere und schwere Inkontinenz unterschieden – offen sei aber, wer entscheide, welche Form der Inkontinenz vorliege.

Nach Auffassung des Hamburger Apothekervereins braucht ohnehin kein neuer Vertrag abgeschlossen werden, solange der alte Vertrag noch gilt. Die Kündigung der AOK ist laut Graue unwirksam, und selbst wenn sie wirksam wäre, würde der alte Vertrag gelten, bis ein neuer verhandelt wäre. „Wir sind bereit, zu verhandeln, aber wir lassen uns die Bedingungen nicht diktieren“, so Graue.

BVDA-Hauptgeschäftsführerin Helga Fritsch macht keinen Hehl daraus, dass die Konditionen nicht die besten sind. „Wieso sollte die Kasse den Apothekern nachgeben, wenn andere zu diesen Preisen liefern können?“ Aus ihrer Erfahrung sei mit den Kassen über Preise nicht zu verhandeln.

Aus Sicht des BVDA war es trotzdem die richtige Entscheidung, den Vertrag zu schließen: „Das ist besser als ein vollständiger Ausschluss. Man sollte Apotheken nicht daran hindern, diese Produkte abzugeben“, so Fritsch. Dass der Vertrag nicht immer auskömmlich sei, sei klar. Aber die Hilfsmittelversorgung diene auch der Kundenbindung und -neugewinnung. Sind Apotheker diesem Vertrag beigetreten, können sie an keinem anderen Vertrag der AOK Rheinland/Hamburg teilnehmen, etwa dem des Hamburger Apothekervereins.

Der aus Sicht des HAV nach wie vor gültige Hilfsmittelvertrag stammt aus dem Jahr 1997. Weil sich Kassen und Apotheker 2007 zwar auf einen neuen Arzneiliefer-, aber nicht auf einen Hilfsmittelvertrag einigen konnten, gilt der alte Vertrag fort.

Die Konditionen sind vorteilhaft – aus Sicht der AOK offenbar zu vorteilhaft. Zuletzt war der Apothekerverband Westfalen-Lippe dem Hamburger Vertrag beigetreten, um Versicherte aus dem benachbarten Nordrhein versorgen zu können ohne dem Vertrag des Apothekerverbands Nordrhein beitreten zu müssen. Das Sozialgericht Gelsenkirchen wies eine Klage der AOK im April ab und bestätigte, dass Apotheker jedem Liefervertrag beitreten können, dem sie beitreten möchten.

Das hat das Fass vermutlich zum Überlaufen gebracht: Die AOK hat den gesamten Vertrag Mitte Juni außerordentlich gekündigt – aus Graues Sicht rechtswidrig. Die Apotheker wollen nun notfalls auch juristisch gegen die Kasse vorgehen. Ein Kassensprecher wollte sich wegen der „vom Hamburger Apothekerverein initiierten laufenden rechtlichen Auseinandersetzung“ nicht zu dem Thema äußern.

Den Apothekern ist freigestellt, ob sie auf die Vertragstreue der AOK setzen, weiterhin Hilfsmittel abgegeben und Retaxationen riskieren – nach Graues Überzeugung kein großes Risiko – oder einen Vertrag mit der AOK abschließen.

Den gerichtlichen Verhandlungen mit der Kasse vor dem Sozialgericht Hamburg sieht Graue gelassen entgegen: „Wir haben da eine ganz feste Position, die bereits schon einmal vor dem Sozialgericht Hamburg und dann auch vom Bundessozialgericht bestätigt worden ist“, betont er. Das Bundessozialgericht hatte 2008 den Apothekern recht gegeben und unter anderem die im Vertrag geregelte Weitergeltungsformel bestätigt.

Es ist nicht das erste Mal, dass der BVDA einspringt, während die Apothekerverbände noch verhandeln: Im März 2012 hatte der BVDA mit der DAK einen Vertrag über aufsaugende Inkontinenzprodukte und Stomaartikel geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kasse und der Deutsche Apothekerverband (DAV) schon seit Monaten verhandelt. Die Gespräche waren letztlich gescheitert, weil die DAK die Gebühren für die elektronischen Kostenvoranschläge auf die Apotheker abwälzen wollte.

In Niedersachsen hatte der BVDA im November 2011 einen Vertrag mit dem BKK-Landesverband Mitte geschlossen. Der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) und die Kassen hatten sich zuvor nicht auf einen Vertrag einigen können. Als die Übergangsfristen im Juni 2012 allerdings endeten, waren nur 143 der rund 2000 niedersächsischen Apotheken dem BVDA-Vertrag beigetreten.

Für die Apotheker in Niedersachsen gab es schließlich doch noch einen Vertrag: Ein Jahr später fanden der LAV und der BKK-Landesverband zueinander. In dem neu geschlossenen Vertrag wurde unter anderem festgelegt, dass es keine Retaxationen auf Null geben wird.

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