Hebammen-Versicherung

Gröhe nimmt Kassen in die Pflicht APOTHEKE ADHOC/dpa, 30.04.2014 08:24 Uhr

Sicherstellungszuschlag: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) plant laut einem NDR-Bericht, dass die Krankenkassen bei den steigenden Haftpflichtversicherungen für Hebammen einspringen sollen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will Hebammen in Not mit zusätzlichem Geld von den Krankenkassen helfen. Zuschläge der gesetzlichen Krankenversicherung sollen Geburtshelferinnen in die Lage versetzen, stark gestiegene Haftpflichtprämien zu bezahlen. Gegen ein weiteres Ansteigen der Prämien soll die Haftpflichtversicherung der Hebammen zudem den Krankenkassen Behandlungskosten nach Geburtsschäden nicht mehr in heutigem Umfang erstatten müssen. Das sieht ein heute nach monatelangen Beratungen veröffentlichter Vorschlag Gröhes vor.

Die Vorschläge wurden in der 2013 eingerichteten interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ erarbeitet. Dort heißt es: „Die Krankenkassen sollen (...) als kurzfristig wirksame Maßnahme zusätzlich gesetzlich verpflichtet werden, für Geburtshilfeleistungen, bei denen typischerweise nur wenige Geburten betreut werden, über die bei Prämiensteigerungen übliche Anpassung hinaus Mittel bereit zu stellen, um die Vergütung angemessen zu erhöhen.“

Das Problem stellt sich für freiberufliche Hebammen mit wenigen Geburten, denn die Mittel der Kassen für die Bezahlung der Prämien richten sich nach der Zahl der Geburten. Für diese Geburtshelferinnen will Gröhe einen Sicherstellungzuschlag eingeführen. Um diesen zu erhalten, müssten die Hebammen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, so der Minister. Auf die Anforderungen dafür sollen die Hebammenverbände und der GKV-Spitzenverband bis spätestens zum Ende des Jahres einigen.

Der GKV-Spitzenverband erklärte, die gesetzlichen Kassen hätten die Prämiensteigerungen der freiberuflichen Hebammen seit Jahren ausgeglichen und hätten ab dem 1. Juli 2014 erneut eine 100prozentige Übernahme der Gesamtsteigerung angeboten. Allerdings seien die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für Hebammenleistungen in den Jahren 2007 bis 2012 bereits um insgesamt rund 40 Prozent gestiegen, heißt es in einem Papier des GKV-Spitzenverbands.

Daher hält man die Einführung eines Sicherstellungzuschlags beim GKV-Spitzenverband für bedenkenswert: „Gerade auf dem Land betreuen manche Hebammen so wenige Geburten, dass sie Probleme haben, die gestiegenen Haftpflichtprämien zu refinanzieren, obwohl die einzelne Hebamme mehrmals im Jahr die Versicherung ruhen lassen kann und dann keine Beträge zahlen muss“, hieß es.

Die Beratungen in der interministeriellen Arbeitsgruppe hatten sich äußerst schwierig gestaltetet Sämtliche anderen Vorschläge – etwa die Einrichtung eines Fonds – fanden keine Mehrheit. Das Thema gilt in der Koalition als sehr sensibel. Die Hebammen-Organisationen hatten mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit viele Sympathien in der Bevölkerung erlangt, auch wenn sie sehr unterschiedlich betroffen sind. Es gibt auch viele Geburtshelferinnen, die mit dem Geld der Kassen für die Versicherungsprämien gut auskommen.

Gröhe will außerdem Regress-Ansprüche der Krankenkassen gegenüber den Versicherungen im Schadensfall eingeschränken: Kranken- und Pflegeversicherung sollen sich demnach künftig kein Geld mehr von den Haftpflichtversicherungen zurückholen können. Das spare im Gegenzug Maklercourtage und Versicherungssteuer, so eine Sprecherin des Gesundheitsministers.

Für diese Begrenzung der Haftung von Hebammen, durch deren Fehler ein Kind bei der Geburt zu Schaden kommt, hat der GKV-Spitzenverband kein Verständnis. Es könne nicht sein, dass die Beitragszahler der Sozialversicherungen das Geschäft der privaten Versicherungswirtschaft machen sollten und statt der Haftpflichtversicherung die Folgekosten von Hebammenfehlern übernehmen, so der Verband.

Zahlten Hebammen 2004 noch 1352 Euro für die Versicherung, werden es ab Juli 5091 Euro sein. Gerichte schraubten im Fall eines Fehlers der Hebammen bei der Geburt die Summen für die Betroffenen immer weiter in die Höhe – auch weil ein behindertes Kind heute wegen des medizinischen Fortschritts oft viel länger lebt als früher.

Um die Hebammen dauerhaft wirtschaftlich abzusichern und die zukünftige Versorgungsqualität zu garantieren, will Gröhe die Datengrundlage im Bereich der Hebammenversorgung verbessern. Dafür hat das Bundesgesundheitsministerium Maßnahmen eingeleitet, die ab 2015 Geburten nach der Art der Einrichtung, in der sie geschehen, erfassen sollen. Auch seien darüber hinaus weitere Erkenntnisse erforderlich, die das Auftreten und die Ursachen von Geburtsschäden näher untersuchen, so Gröhe. Dazu wird sein Ministerium ein Gutachten in Auftrag geben.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft begrüßte die Vorschläge Gröhes. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sicherte eine zeitnahe Umsetzung zu. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sprach sich für langfristige Lösungen aus. Ihr rheinland-pfälzischer Amtskollege Alexander Schweitzer (SPD) nannte die Ankündigungen Gröhes ziemlich vage. Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) forderte, andere Lösungswege zu prüfen, die nicht einseitig die gesetzlich Versicherten belasten.