Kein Inflationsausgleich, aber Sparbeitrag: Aus Sicht von Daniela Hänel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft (FA), prellt der Bund die Apotheken. Sie kritisiert auch fehlende Sachkenntnis bei den Verantwortlichen.
„Eine weitere Belastung der Apotheken – auch in der von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angestrebten Höhe – wäre nur dann gerechtfertigt, wenn in den letzten 18 Jahren (!) das Honorar an die Inflationsrate angepasst worden wäre. Dann läge das Packungshonorar nämlich bei 13 Euro“, so Hänel. Alleine diese Dimension verdeutliche, dass die Apotheken bei über 600 Millionen rezeptpflichtigen Packungen pro Jahr zig Milliarden für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) einsparten. Alleine die pandemiebedingte Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 Prozent im zweiten Halbjahr 2020 habe die Apotheken über den höheren Kassenabschlag um mehr als 12 Millionen Euro belastet.
„Es ist ein eklatantes Versäumnis des Gesetzgebers, die Apotheken zur Sicherstellung und Versorgung der deutschen Bevölkerung inklusive einem funktionierenden 24-Stunden-Notdienst zu verpflichten, sich aber bei der Honorierung aus der Affäre zu ziehen und dieses der Selbstverwaltung zu überlassen“, so Hänel. Weiterhin lasse man es zu, dass „aktiennotierte und von Saudi-Arabien gestützte Arzneimittelversender aus Holland grenznahe (Mehrwert-)Steuermodelle unter dem europäischen Deckmantel, man sei eine Apotheke, nutzen, um Versichertengelder deutscher Krankenkassen abzugreifen, ohne dass der Fiskus oder die deutsche Renten- und Sozialkasse davon profitieren“.
Bei ihren zum Kassenabschlag geführten Korrespondenzen mit Bundestagsabgeordneten und mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) habe sie feststellen müssen, dass es „erhebliche Lücken in der Sachkenntnis“ gebe, etwa was Preisbildung und Hochpreiser angehe. „Das ist erschreckend. So kommt man natürlich zu anderen Ergebnissen. Die Abkopplung von der Inflationsrate seit fast 20 Jahren wird von Herrn Lauterbach einfach ignoriert und fließt in Berechnungen gar nicht erst ein. So wird auch ignoriert, dass die Apotheken in den letzten Jahren durch Einsparungen in dreistelliger Milliardenhöhe ihren Beitrag zur Finanzierung der GKV und zur Stabilisierung der Beiträge im Übermaß geleistet haben.“
Für die Begründung des erhöhten Kassenabschlags werden aus ihrer Sicht unbrauchbare Berechnungen herangezogen. „Von Herrn Lauterbach und seinen Staatssekretären müssen wir eine fundierte Sachkenntnis erwarten. Das Ignorieren von Fakten, unter anderem auch, dass es um über 100.000 Frauenarbeitsplätze geht, ist hier fehl am Platz!“
Bei der Verrechnung des Sparbeitrags von mindestens 170 Millionen mit den 150 Millionen Euro, die die Apotheken über pharmazeutische Dienstleistungen erwirtschaften könnten, werde zudem kein Wort über die Deckelung dieses Honorars verloren. Die teilnehmenden Apotheken arbeitete „ins Blaue hinein“ und würde über die tatsächliche Vergütung erst deutlich später in Kenntnis gesetzt. „Die meisten Apotheken können diese Dienstleistungen zudem gar nicht erbringen, da sie aus Personalmangel die entsprechenden Qualifikationen nicht bewerkstelligen können. Vergessen wird auch noch, dass erst einmal in Schulungen investiert werden muss.“
Über den jüngsten Vorwurf des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen, die Apotheken seien nicht ausreichend bevorratet, seien die Mitglieder der Freien Apothekerschaft besonders erbost. „Die Pressemitteilung des Dachverbands ist eine bodenlose Frechheit! Die Apotheken versuchen wirklich alles, um die Versicherten aller Krankenkassen trotz der teilweise nicht umzusetzenden Rabattverträge und trotz der Lieferengpässe schnell und unkompliziert und ohne Weiterberechnung von Kosten – wie Rückrufe mit den Arztpraxen und Wege dorthin wegen nötiger Änderungen von Rezepten und so weiter – zu versorgen. Man kann nur hoffen, dass die Politik auf derartige Unsinnigkeiten nicht hereinfällt.“
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