GWQ: Zyto-Ausschreibungen hätten Bottrop verhindert Lothar Klein, 14.11.2017 16:56 Uhr
Als Folge der veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zytostatikaversorgung erwartet die Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen (GWQ) in Kürze Lieferengpässe bei den Wirkstoffen: „Bei Zytostatika könnte durchaus die Versorgungssicherheit gefährdet werden“, sagte GWQ-Vorstand Dr. Johannes Thormählen. Dafür gebe es bereits konkrete Hinweise. Mit Blick auf den Bottroper Zyto-Skandal sagte Thormählen zudem: „Das wäre mit unseren Zyto-Ausschreibungen nicht passiert.“
Das Segment der Wirkstoffe für die Zytoherstellung sei tendenziell nicht sehr wettbewerbsintensiv, begründete der GWQ-Vorstand seine Aussage. Ein Drittel der relevanten Produkte würde nur von zwei Herstellern angeboten: „Wettbewerb auf der Herstellerebene könnte deren Anzahl weiter senken.“ Zudem sei fraglich, ob überhaupt ein hinreichender Wettbewerb bestehe, um einerseits Rabattpartner zu gewinnen und andererseits deren Lieferfähigkeit nicht zu gefährden. In einige Regionen gebe es bereits Hinweise auf absehbare Lieferengpässe.
Thormählen kritisierte die alte Bundesregierung für die Abschaffung der Ausschreibungen bei der Zytoversorgung. Jetzt könnten nur noch maximal ein Drittel der Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Mit den Ende August wieder abgeschafften Ausschreibungen hätten die Kassen von den Gesamtausgaben für die Zytoversorgung von 3,5 Milliarden Euro 700 Millionen Euro einsparen können.
Zudem hätte nachweislich auch die Qualität der Zytoversorgung durch die Ausschreibungen gemeinsam mit der DAK erhöht werden können, behauptet Thormählen. Nur noch 1 Prozent der Lieferwege habe mehr als 50 Kilometer betragen statt vorher 15 Prozent. Herstellung und Lieferung an die onkologischen Praxen hätten maximal 90 Minuten benötigt. Der angeklagte Bottroper Apotheker habe hingegen bis nach Sachsen geliefert: „Kein Patient in Sachsen wird vermuten, dass er Zytostatika aus Brottrop erhalten hat“, sagte Thormählen. Das frühere System sei völlig intransparent gewesen, kritisierte der GWQ-Chef.
Rabattverträge seien das „erfolgreichste Instrument“ zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Arzneimittelbereich, sagte GWQ Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Getraut Demmler anlässlich des zehnjährigen Bestehens von GWQ. Von 14 Betriebskrankenkassen gegründet, schließe das Unternehmen heute als Dienstleister für mehr als 50 Krankenkassen Vereinbarungen über Rabattverträge.
Demmler wies den Vorwurf zurück, Rabattverträge seien Ursache von immer wieder auftretenden Lieferproblemen. Grund dafür seien vielmehr die internationalen Marktbedingungen: Schätzungsweise 80 Prozent der generischen Wirkstoffe würden in China oder Indien produziert. Ein nationaler Markt habe darauf keinen Einfluss. Problematisch sei vielmehr die Verringerung der Zahl der Produzenten.
Nur in 0,97 Prozent der von der GWQ abgeschlossenen Rabattverträge habe es Lieferprobleme gegeben, ergänzte Thormählen. Allerdings gebe es einen Unterschied zwischen Mehrfachvergaben und Einfachvergaben: Im AOK-System, das mehrheitlich das Ein-Partner-Modell bevorzuge, liege die Lieferengpassquote bei 1,66 Prozent. Kritisch sei die Lieferproblematik im Klinikbereich. Dort gebe es ein „sehr ernst zu nehmendes Problem“. Klinikapotheker berichteten von bis zu 200 Lieferengpässen im Jahr und stuften 30 davon bei intensivmedizinisch wichtigen Arzneimitteln als versorgungskritisch ein.