Es ist nicht der Entwurf für die Apothekenreform, sondern für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), für den Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich heute prominent auf Platz 1 von „Bild online“ feiern lässt. An Kiosken und Regionen hält er fest, neu ist unter anderem eine Bagatellgrenze für Regresse und ein Förderung des Medizinstudiums über GKV-Mittel. Nicht mehr enthalten ist die Streichung der Alternativmedizin als Satzungsleistungen der Kassen. Dafür gibt es eine schlechte Nachricht für Apotheken in Ärztehäusern.
Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune“, so der komplette Titel, will Lauterbach nach eigenen Angaben die Versorgung vor allem in benachteiligten Regionen verbessern und verzahnen. Ein Format sind die Gesundheitskioske, auch mobil in Gestalt von Bussen, von denen es 2028 bis zu 220 geben soll. Hier wurde der Zeitplan im nunmehr dritten Entwurf um ein Jahr nach hinten verschoben, am Kostenrahmen von mehreren hundert Millionen Euro ändert sich nichts. In den Kiosken sollen auch „ambulante telemedizinische Leistungen“ durchgeführt werden können.
Weitere Instrument sind Gesundheitsregionen, die Kommunen und Kassen vereinbaren können, und hausärztliche Primärversorgungszentren.
Außerdem hat Lauterbach einige Forderungen der Ärzteschaft aufgegriffen. So wird die Budgetierung im hausärztlichen Bereich gestrichen. Zudem werden eine jährliche Versorgungspauschale zur Behandlung chronisch kranker Patientinnen und Patienten eingeführt sowie eine Vorhaltepauschale für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrages, sofern die Hausärztin oder der Hausarzt bestimmte Kriterien erfüllt – etwa eine Mindestanzahl von 450 Patienten je Arzt und je Quartal, Haus- und Pflegeheimbesuche sowie „bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten“ mit regelmäßigen monatlichen Abendsprechstunden und Samstagssprechstunden.
Gleichzeitig soll für die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung für die Versicherten ein Bonus von den Kassen gezahlt werden. Auch das soll die Attraktivität der hausarztzentrierten Versorgung steigern.
Vor allem aber sollen fachgruppenübergreifen keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen mehr vorgenommen werden, wenn eine Geringfügigkeitsgrenze in den Rahmenvorgaben von 300 Euro nicht erreicht wird.
Chroniker sollen nicht mehr quartalsweise, sondern nur noch einmal im Jahr in die Praxis müssen. Dadurch sollen unnötige Kontakte vermieden und gleichzeitig eine angemessene Honorierung der hausärztlichen Leistungen gewährleistet werden. Die Regelung soll bei Versicherten greifen, bei denen „mindestens eine lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung vorliegt, die der kontinuierlichen Versorgung mit einem Arzneimittel bedarf“. Um an Arzneimittel zu kommen, könnten sich die Patientinnen und Patienten dann Folgerezepte ausstellen und hochladen lassen.
Um den ärztlichen Nachwuchs zu erhöhen, wird die Möglichkeit geschaffen, die Länder ab dem Jahr 2026 aus Mitteln der GKV bei der Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungskapazitäten finanziell zu unterstützen. Über Fördermittelanträge können Gelder aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds genutzt werden, um neue Studienplätze zu schaffen. Die geförderten Studierenden müssen dann mindestens zehn Jahre lang in der vertragsärztlichen Versorgung, einem Krankenhaus oder einer zugelassenen Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung arbeiten.
Nicht mehr enthalten sind dagegen Pläne aus dem zweiten Entwurf, wonach homöopathische und anthroposophische Arzneimittel und Leistungen aus der Erstattung gestrichen werden sollten, da für ihre Wirksamkeit keine hinreichende wissenschaftliche Evidenz vorliege.
Passend dazu soll den Ländern ermöglicht werden, „ihre versorgungsrelevanten Erkenntnisse in den Zulassungsausschüssen verbindlich zur Geltung zu bringen und damit die vertragsärztliche Versorgung maßgeblich mitzugestalten“.
Die Bewilligungsverfahren für Hilfsmittelversorgungen von Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen sollen beschleunigt werden.
Auch ein weiteres Transparenzregister soll eingeführt werden: „Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die Transparenz hinsichtlich der Servicequalität der Kranken- und Pflegekassen sowie hinsichtlich des Leistungsgeschehens in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung zu erhöhen.“
Um Abrechnungsbetrügern leichter auf die Schliche zu kommen, soll die Fehlverhaltensbekämpfung weiterentwickelt und gestärkt werden. Daher werden die Landesverbände der Krankenkassen nunmehr ausnahmslos einbezogen, um insbesondere kleinere Krankenkassen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. „Zudem werden Datenübermittlungsbefugnisse erweitert und die Voraussetzungen für eine KI-gestützte Datenverarbeitung bei der Fehlverhaltensbekämpfung gesetzlich klargestellt. Der GKV-Spitzenverband wird verpflichtet, auf der Grundlage eines von ihm einzuholenden externen Gutachtens ein Konzept für eine bundesweite Betrugsdatenbank vorzulegen.“ Auch Kassenärztliche Vereinigungen (KVen), Bundesrechnungshof (BRH) und Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) sollen Zugang zu den Informationen bekommen.
Der G-BA soll weiterentwickelt werden: „Es werden die Interessenvertretung der Pflege sowie die Patientenvertretung gestärkt, die Entscheidungen der Selbstverwaltung beschleunigt und die Mitsprachemöglichkeiten der Vertretungen der Hebammen, wissenschaftlicher Fachgesellschaften und weiterer Betroffener ausgebaut.“
Der Wechsel aus der PKV in die Familienversicherung soll für solche Personen untersagt werden, die nur aufgrund des Absenkens ihrer Altersrente auf eine Teilrente die Voraussetzungen für die Familienversicherung erfüllen. Dadurch werde eine bislang bestehende Gesetzeslücke geschlossen.
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