„Unausgegorenes Wahlgeschenk“

GVSG: „Honorarverbesserung ohne Versorgungs-Mehrwert“

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Berlin -

Kurz vor der Bundestagswahl haben sich SPD und Grüne mit ihrem ehemaligen Ampel-Partner FDP noch auf wichtige Punkte des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) verständigt, das nach dem Koalitionsbruch zu versanden drohte. Großes Ziel ist, angesichts von bundesweit 5000 unbesetzten Hausarztsitzen den Beruf attraktiver zu machen – vor allem auf dem Land oder in ärmeren Vierteln von Großstädten. „Einen Termin beim Hausarzt zu bekommen, wird endlich wieder deutlich einfacher – insbesondere für gesetzlich Versicherte“, verspricht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Patientenvertreter und die Krankenkassen zeigten sich skeptisch, dass große Verbesserungen kommen.

Die gesetzlichen Krankenkassen bezweifeln große Effekte. „Mit dem Gesetz wird die Vergütung der Ärztinnen und Ärzte auf jeden Fall verbessert. Ob sich auch für die Patientinnen und Patienten etwas verbessert, steht in den Sternen“, sagte die stellvertretende Chefin des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis. Das Gesetz sei so aufgebaut, dass Hausärzte garantiert 400 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich bekämen, selbst wenn es keinen einzigen zusätzlichen Termin gebe.

Kritisch äußerte sich auch die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann: „Diese Nachtlesung ist wirklich bemerkenswert: Die Ampel ist längst Geschichte, und wir sehen zum Jahreswechsel historische Beitragssatzsprünge – auch, weil diese Koalition die versprochene Stabilisierung der GKV-Finanzen nicht hingekriegt hat. Trotzdem wird noch heimlich, still und leise eine Honorarverbesserung für Hausärzte ohne jeglichen Versorgungs-Mehrwert auf den Weg gebracht.“

Mit den zusätzlich eingesetzten Geldern werde sich aber kein weiterer Hausarzt in strukturschwachen Gebieten ansiedeln, „kein Patient früher oder besser behandelt. Das ist nur ein weiteres Beispiel für ein unausgegorenes Wahlgeschenk gegen die Interessen der Beitragszahlenden, das nichts bewirkt und Vertrauen in Sozialpolitik langfristig zerstört“, so Reimann weiter. Stattdessen brauche es echte Strukturimpulse und einen einfachen und schnellen Zugang zum Arzt. „Dazu bedarf es einer gestärkten primärärztlichen und sektorübergreifenden Versorgung. Noch mehr Verdruss sollten wird den Versicherten ersparen.“

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßte dagegen, dass mit dem Wegfall der Vergütungslimits Praxisschließungen in den kommenden Jahren verhindert würden. Etwa in Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg würden viele Praxen erleichtert aufatmen.

Patientenschützer mit Zweifeln

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, monierte, es bleibe das Geheimnis von Lauterbach, wie der Wegfall der Honorar-Limits zu mehr Terminen führen solle. Zum Steuern brauche es Zulassungsbegrenzungen in lukrativen Ballungszentren und Anreize für Praxen in strukturarmen Regionen. Zweifelhaft sei auch, dass chronisch Kranke wegen der neuen Jahrespauschale seltener Praxen aufsuchen. Diese Patienten hätten verschiedenste Symptome. „Mehrmals im Jahr ärztlichen Rat einzuholen, liegt somit auf der Hand.“

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