Der neue Entwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) trifft auf gemischte Gefühle: Gerade von Seiten der Kassen hagelt es Kritik. Dr. Carola Reimann, die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, spricht von einer inhaltlichen Entkernung des Gesetzes. Von den Hausärzten wird Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dagegen gelobt.
„Bei kaum einem gesundheitspolitischen Vorhaben gab es so viele Beschleunigungen, Vollbremsungen und scharfe Kurven wie beim GVSG. Nun folgt das nächste Wendemanöver vor Verbändeanhörung und Kabinettsbeschluss“, so Reimann. Zwar seien in der aktuellen Fassung einige Korrekturen wie das Weglassen der GKV-Finanzierung von Medizinstudienplätzen richtig, doch gleichzeitig seien auch alle vielversprechenden neuen Versorgungsansätze aus dem Gesetzesentwurf gestrichen worden, so Reimann.
„Die drei wesentlichen Elemente zur Transformation der regionalen Versorgung vor Ort – die bundesweite Etablierung von Gesundheitskiosken, der flächendeckende Aufbau von Gesundheitsregionen und die Errichtung von Primärversorgungszentren – sind politischen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen“, so Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg.
Man könne nur hoffen, dass die Reform im weiteren Verfahren nicht noch weiter inhaltlich entkernt werde und die Gesundheitsregionen sowie Primärärztliche Versorgungszentren Bestandteil des Gesetzes blieben, so Reimann. „Andernfalls bliebe von den ursprünglichen Plänen im Wesentlichen eine hausärztliche Honorarreform übrig, die keine wirkliche Verbesserung der Versorgung bringen wird und zudem schon weitere Begehrlichkeiten bei den Fachärzten geweckt hat.“
Auch Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) lobt die Änderung bei der Finanzierung der Medizinstudienplätze, allerdings hebt sie hervor, dass richtigerweise auf die Gesundheitskioske verzichtete werde.
Auf den Prüfstand gestellt werden müsse insbesondere die vollständige Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen. „Statt hier Versichertengelder mit der Gießkanne auszuschütten, brauchen wir insbesondere für ländliche Regionen zielgenaue, vernetzte Lösungen. Bedauerlich ist daher, dass gerade die Primärversorgungszentren wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurden“, so Elsner. Stattdessen würde der Bonus für die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nur die Kosten erhöhen, ohne dass die Versorgung verbessert werde.
„Reformen sind kein Selbstzweck, sie müssen die Versorgung qualitativ verbessern und sich am medizinischen Bedarf der Menschen ausrichten. Das gilt für das GVSG wie auch für die anstehende Krankenhausreform mit ihren erheblichen Kostenrisiken“, so Elsner. Es brauche mehr Verbindlichkeit über die Versorgungs- und Qualitätsstandards und eine „faire Lastenverteilung“. Die auch in dem aktuellen Entwurf weiterhin geplante Finanzierung des Transformationsfonds durch die GKV zu 50 Prozent lehne der vdek ab.
Zufrieden scheinen wenigstens die Hausärzte zu sein: Dr. Markus Beier, der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, lobt insbesondere die Entbudgetierung sowie die Anhebung der Bagatellgrenze bei Regressverfahren, die Stärkung der Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung und die Vorhaltepauschale.
Trotzdem müssten im Weiteren parlamentarischen Verfahren noch dringende Anpassungen vorgenommen werden, um die Praxen nachhaltig zu stärken. Dazu gehörten unter anderem die Kriterien für die Vorhaltepauschale und die Ausgestaltung der Chronikerpauschale. „Wir erwarten von allen Ampel-Parteien, dass sie jetzt endlich an einem Strang ziehen und das Gesetz möglichst zügig umsetzen“, so Beier.
Auch der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) begrüße die geplante Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte. Man fordere aber weiterhin eine Entbudgetierung über alle Facharztgruppen hinweg, so Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa.
„Der neuerliche Entwurf ist ein Rückschritt und eine Enttäuschung für alle, die Versorgung mutig weiterentwickeln“, so Professor Dr. Lutz Hager, der Vorsitzende des Bundesverbands Managed Care (BMC). Dem Bundesgesundheitsminister fehlten die Ideen und das Zutrauen in die Gestaltungskraft der Akteure, so Hager.
Dabei müsste bessere Gesundheitsversorgung nicht automatisch mehr Geld heißen, so Hager. Sie müsste aber anders organisiert werden. Dafür benötigten die Akteure Möglichkeiten, sich regional zu organisieren und neue Versorgungs- und Betriebsmodelle wie die Primärversorgungszentren zu entwickeln. „Es liegen qualifizierte Vorschläge auf dem Tisch – und wir werden diese in den Dialog mit den Parlamentariern und allen Beteiligten einbringen und weiterentwickeln, dies auch in Verbindung mit der Krankenhausreform“, so Hager.
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