Das derzeitige Apothekenhonorar ist nach Ansicht der vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragten Gutachter weder angemessen noch geeignet, die flächendeckende Versorgung zu sichern. Wie die Frankfurter Rundschau (FR) berichtet, kommen die Autoren außerdem zu dem Schluss, dass ein Rx-Versandverbot nicht mit finanziellen Argumenten zu rechtfertigen ist.
Laut FR-Bericht wurden für die Studie die Einkommen der Apotheker mit denen eines leitenden Klinikapothekers verglichen, der demnach im Jahr knapp 100.000 Euro brutto verdient. Rund 8400 Apotheker hätten bei gleicher Arbeitszeit zum Teil wesentlich höhere Einkommen, heißt es: Zu den Spitzenverdienern gehörten Apotheker in großen Ballungszentren und Zyto-Apotheken. Ihnen werden laut FR in der Summe 892 Millionen Euro beziehungsweise 233 Millionen Euro mehr zugewiesen.
5300 Apotheker im Umkreis von Ballungszentren und 2300 Apotheker auf dem flachen Land verdienten dagegen teilweise deutlich weniger als der Leiter einer Krankenhausapotheke; einige hätten sogar wirtschaftliche Probleme. Die Daten wurden laut Bericht aus der repräsentative Umfrage gewonnen.
Laut FR bestätigen die Ergebnisse die These, dass das gegenwärtige Honorarsystem reformiert werden muss. Die Gutachter kritisieren insbesondere den sogenannten Fixzuschlag von 8,35 Euro. Er steht nach Ansicht der Experten in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Arbeitsaufwand. Für Rezepturen sowie für Notdienste bekommen die Apotheken dagegen zu wenig. Die Gutachter plädieren für eine Reform, die den tatsächlichen Aufwand stärker berücksichtigt.
Damit allein könne jedoch laut Analyse den unrentablen Apotheken auf dem Land nicht geholfen werden, schreibt die FR. Anders als von der Union und ABDA angegeben, nützte auch ein Rx-Versandverbot nichts: „Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind weder durch das Verbot des Versandhandels noch durch die allgemeine Vergütung [...] zu beheben“, zitiert die Zeitung es in der Studie.
Vorgeschlagen werden laut FR Zuschläge für Apotheken, die für die Versorgung der Patienten wichtig sind: „Empfohlen wird, für die flächendeckende Versorgung relevante Apotheken zu identifizieren und dann gezielt zu unterstützen.“
Zitiert werden die Grünen, die von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) die sofortige Veröffentlichung des Gutachtens verlangen. Dies sei unabdingbar, damit sich das Parlament fundiert mit der Honorargestaltung auseinandersetzen könne, appelliere Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche. Der jetzige Zustand sei unhaltbar, wird aus dem Schreiben an Zypries zitiert. Eine Antwort habe die Abgeordnete noch nicht erhalten. Die Grünen hatten sich im Frühjahr für eine Honorarreform und die Einrichtung einer Expertenkommission ausgesprochen, die den Apothekenmarkt im Blick behält und so für Transparenz sorgt.
In einer Leistungstabelle aus dem Gutachten, die APOTHEKE ADHOC vorliegt, finden sich fünf Positionen zur Apothekerhonorierung: Fixhonorar, variables Honorar, Nacht- und Notdienst, BtM-Vergütung und Rezeptur. Für jede Position haben die Gutachter einen „kostendeckenden“ Wert errechnet und ins Verhältnis zu den aktuellen Zahlen gesetzt. Unter dem Strich kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass knapp 1 Milliarde Euro pro Jahr zu viel von den Kassen an die Apotheker geflossen sind.
Beim Fixhonorar von derzeit 8,35 Euro kommen die Gutachter zu folgendem Bild: Kostendeckend wäre ein Gesamtbetrag von 3,44 Milliarden Euro. Derzeit erhalten die Apotheker von den Kassen aber 5,241 Milliarden Euro. Der Kassenabschlag in Höhe von 1,77 Euro pro Packung ist dabei noch nicht berücksichtigt. Daraus ergibt sich eine „Überzahlung“ von 1,89 Milliarden Euro. Rechnet man diesen Wert auf das Packungsfixhonorar um, müsste dieser Betrag von derzeit 8,35 Euro auf 5,33 Euro sinken. Das wäre ein Minus von 36 Prozent.
Beim 3-prozentigen variablen Honoraranteil kommt 2hm zu einem kostendeckenden Betrag von 1,44 Milliarden Euro. Die Apotheker erhalten aber nur 884 Millionen Euro von der GKV. Hier müssten die Kassen 560 Millionen Euro drauflegen.
Auch beim Nacht- und Notdienst sehen die Gutachten ein Honorardefizit zulasten der Apotheken. Kostendeckend wäre ein Betrag von 200 Millionen Euro jährlich statt der zuletzt ausgeschütteten 117 Millionen Euro. Hier müssten die Kassen entsprechend 83 Millionen Euro mehr zahlen. Der derzeitige Zuschlag von 16 Cent pro Packung müsste entsprechend auf etwa 27 Cent erhöht werden.
Bei Betäubungsmitteln (BtM) verhält es sich ähnlich: Kostendeckend wäre ein Honorar von 191 Millionen Euro. Die Apotheker erhalten aber nur 39 Millionen Euro. Das Honorar müsste also um 152 Millionen Euro steigen. Bei der Rezepturherstellung ermitteln die Gutachter ebenfalls eine Unterdeckung. Statt kostendeckender 259 Millionen Euro erhalten die Apotheker laut Leistungstabelle aber nur 50 Millionen Euro, es fehlen also 209 Millionen Euro. Bei beiden Posten wurde die Anfang Mai mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) erfolgte Honorarerhöhung offenbar noch nicht einbezogen.
Unter dem Strich ergibt die Tabelle folgendes Bild: 1,89 Milliarden Euro zu viel gezahltes Fixhonorar. Auf der Gegenseite bilanzieren die Gutachter eine Unterdeckung von 1,004 Milliarden Euro. Im Saldo haben die Kassen laut 2hm-Gutachten den Apotheker also zu viel gezahlt: Zieht man bei den Packungen den Kassenabschlag von rund 1,1 Milliarden Euro ab, würden den Pharmazeuten knapp 4,4 statt 5,2 Milliarden Euro zustehen. Pro Apotheke ergibt das rechnerisch ein Minus von 45.120 Euro.
Seit Freitag liegt die vom Statistischen Bundesamt geprüfte Fassung des 2hm-Gutachtens im BMWi vor. Gestern haben sich die Spitzen von Kanzleramt, Bundesfinanzministerium, BMWi und dem Bundesgesundheitsministerium über die Zahlen gebeugt. Unklar ist weiterhin, ob und wann das Gutachten vorgestellt wird.
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