Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich der Vermittlungsausschuss mit dem kürzlich vom Bundestag verabschiedeten Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) befassen müssen. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates empfiehlt den Ministerpräsidenten, das GSAV in der Länderkammer abzulehnen und den Vermittlungsausschuss anzurufen. Im Zentrum des Streits steht die Importförderklausel. Änderungsbedarf haben die Ländern aber auch bei der Arzneimittelaufsicht angemeldet.
In der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundesrates stimmte eine Mehrheit für den Antrag Brandenburgs und Thüringens: „Der Ausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes zu verlangen.“ Nordrhein-Westfalen zog in der Sitzung einen gleichgerichteten Antrag zurück und stimmte diesem Antrag zu. Der Bundesrat entscheidet über die Empfehlung des Gesundheitsausschusses am 28. Juni. Nach der Sommerpause würde dann das Vermittlungsverfahren starten.
„Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz enthält mehrere zwingend berarbeitungsbedürftige Regelungen“, heißt es in der Begründung. Das GSAV verpflichte die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder künftig, bei Verdacht auf Arzneimittel- oder Wirkstofffälschungen oder bei Hinweis auf schwerwiegende Mängel von Arzneimitteln oder Wirkstoffen unangemeldete Inspektionen durchzuführen. Als Grund nennt das GSAV besondere Gefahrenlagen.
„Dies ist so nicht nachvollziehbar“, finden die Länder. Bereits mit Blick auf die weitreichende und eine Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen umfassende „Legaldefinition für gefälschte Arzneimittel“ werde deutlich, dass sich die Gefahrenlage an den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bemesse und dabei höchst unterschiedlich sein könne. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung habe daher folgerichtig eine vorgehende Prüfung der Erforderlichkeit einer unangemeldeten Inspektion im konkreten Einzelfall vorgesehen.
Bereits in seiner ersten Stellungnahme hatte der Bundesrat hat die Streichung der Importförderklausel verlangt. „Die Vorschrift stellt eine nicht mehr erforderliche bürokratische Doppelregulierung mit vergleichsweise geringem Einsparpotenzial dar. Zugleich ist der durch sie beförderte Parallelimportmarkt ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen in den deutschen Markt“, so der Gesundheitsausschuss. Die vom Bundestag beschlossene Neuregelung tragt diesen Bedenken „nur unzureichend Rechnung“.
Sie ersetze lediglich die bisherige Preisabstandsgrenze für Apotheken zur Abgabe von preisgünstigen Importarzneimitteln durch eine differenziertere Preisabstandsregelung. Ausgenommen davon seien künftig allein biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und Zytostatika, wegen besonderer Anforderungen an Transport und Lagerung. Der GKV-Spitzenverband werde zudem verpflichtet, bis Ende 2021 einen Bericht zu erstellen, den das Bundesgesundheitsministerium bewerte und dem Bundestag zur Befassung mit der weiteren Notwendigkeit der Importregelung vorlege. „Diese Beschränkung lediglich auf biotechnologisch hergestellte und antineoplastischen Arzneimittel zur parenteralen Anwendung aus der Importförderung stellt allenfalls eine Teillösung dar“, so die Kritik der Länder.
Die in der Vergangenheit aufgetretenen Fälschungsfälle beschränkten sich gerade nicht auf die beiden Arzneimittelgruppen, für die nun eine Ausnahme von der Importförderklausel angedacht sei. Dies zeige beispielhaft der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 5. Juni gemeldete und in Großbritannien aufgetretene Fälschungsfall, in dem bei einem Parallelimporteur eine vollständige Fälschung des Arzneimittels Xarelto identifiziert wurde. Dieses Arzneimittel falle weder unter die vorgenannten Arzneimittelgruppen, noch handele es sich um ein besonders preisintensives Arzneimittel. Gemeinsames Merkmal der in der Vergangenheit auffällig gewordenen Arzneimittel sei nicht die Eigenschaft als Biopharmazeutikum oder parenteral zu verabreichendes Zytostatikum, sondern der Vertriebsweg im Rahmen des Parallelhandels.
Darüber hinaus könne auch der Begründung für die Ausnahmen für Biopharmazeutika und parenteral zu verabreichende Zytostatika nicht vorbehaltlos gefolgt werden. Einerseits seien Biopharmazeutika als auch parenteral zu verabreichende Zytostatika nicht zwangsläufig empfindlicher als andere Arzneimittel, andererseits könnten auch anders eingesetzte Arzneimittel wie Impfstoffe besondere Anforderungen an Lagerung und Temperatur haben. „Die Einführung von Ausnahmen von der Importförderklausel unter Fokussierung auf bestimmte Arzneimittelgruppen ist daher nicht zielführend. Die Sicherheit der in Deutschland in den Verkehr gebrachten Arzneimittel kann nur durch eine vollständige Streichung der Importförderklausel wirksam gesteigert werden“, so die Länder.
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