Alte Fälle doch erfasst?

Grundsatzstreit um Impfpass-Fälscher

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Berlin -

Ein 52-Jährigen aus Rottweil muss sich wegen des Verdachts der Urkundenfälschung vor dem Landgericht Hechingen verantworten, weil er in einer Apotheke einen gefälschten Impfpass vorgelegt hatte. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat das Hauptverfahren zugelassen und damit eine womöglich wegweisende Entscheidung im Umgang mit Impfpassfälscher:innen getroffen.

Der Fall ist deshalb von Bedeutung, weil der Impfpassfälscher vor dem 23. November 2021 unterwegs war – also noch vor der strafgesetzlichen Verschärfung. Das OLG musste die äußerst kontrovers diskutierte Frage klären, ob der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach 279 StGB in der alten Fassung im Verhältnis zum Delikt der Urkundenfälschung eine privilegierende Spezialvorschrift darstellt und deshalb ein Rückgriff auf das allgemeinere Delikt der Urkundenfälschung ausgeschlossen ist. Einfacher ausgedrückt: Ob Impfpassfälscher sich auch schon vor der Klarstellung des Gesetzgebers strafbar gemacht haben. Die Gerichte und Staatsanwaltschaft waren hierzu unterschiedlicher Auffassung.

Urkundenfälschung oder unrichtiger Gebrauch

Wie das OLG Hamburg zuvor haben sie Stuttgarter Richter entschieden, dass der Gesetzgeber Gesundheitszeugnisse nicht grundsätzlich anders behandeln wollte als sonstige Urkunden, und jene somit nicht aus dem Anwendungsbereich der Urkundenfälschung herausfallen sollten. Der speziellere Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse greift demnach, wenn eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft getäuscht werden soll.

Die Staatsanwaltschaft Hechingen wirft dem Mann vor, am 8. November 2021 in einer Apotheke im Zollernalbkreis einer Mitarbeiterin ein Impfbuch vorgelegt zu haben, in dem zwei Eintragungen zu tatsächlich nicht erfolgten Covid-19-Impfungen eingetragen waren, angeblich aus dem „Impfzentrum Rottweil“. Damit habe er bewusst über seine tatsächlich nicht erfolgten Impfungen getäuscht und die Ausstellung eines digitalen Impfnachweises erlangen wollen. Das Landgericht Hechingen hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens am 25. Januar 2022 aus rechtlichen Gründen abgelehnt, ein Rückgriff auf das allgemeinere Delikt der Urkundenfälschung sei aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das OLG die Nichteröffnung aufgehoben und das Hauptverfahren eröffnet. Das ist keine Vorverurteilung in der Sache. Es geht in diesem Schritt nur darum, dass der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Das schien dem LG als gegeben: Vollständig ausgefüllte Impfbücher seien als sogenannte verkörperte Gedankenerklärungen, die zum Beweis geeignet und bestimmt sind, und ihren Aussteller erkennen lassen, Urkunden im Sinne des § 267 StGB.

Grundsatzstreit beim BGH?

Die Gedankenerklärung des angeblichen Impfarztes, er habe den Inhaber des gelben Heftchens tatsächlich geimpft, sei hier eine Täuschung. Von dieser gefälschten Urkunde habe der Mann im Rechtsverkehr durch die Vorlage in der Apotheke dann auch Gebrauch gemacht.

Und weil es sich bei einer Apotheke nicht um eine Behörde im Sinne der alten Vorschrift handele, sondern um ein privates Unternehmen, ist laut OLG auch eine Urkundenfälschung möglich. Die Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen wird nun nach Durchführung einer Hauptverhandlung über den Anklagevorwurf zu befinden haben. Gegen ein Urteil steht das Rechtmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, so dass dieser dann gegebenenfalls die Möglichkeit hat, diese grundsätzliche, für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle relevante Frage zu klären, so das OLG.

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