Acht Jahre lang war Stefan Grüttner (CDU) Gesundheitsminister in Hessen. Mit Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kämpfte er für das Rx-Versandverbot. Bei der hessischen Landtagswahl im Herbst 2018 verlor er sein Direktmandat überraschen klar gegen Tarek Al-Wazir, Spitzenkandidat der Grünen. Jetzt lobbyiert Grüttner für Hessens Ärzte in Berlin. Der CDU-Politkker soll seine guten Kontakte nutzen.
Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau (FR) arbeitet Grüttner bereits seit Frühjahr als Berater für die Kassenärztliche Vereinigung in Berlin. Er habe dies der Staatskanzlei angezeigt, obwohl dies formal nicht notwendig gewesen sei, bestätigte Hessen Regierungssprecher der FR. Der schnelle Wechsel von der Landespolitik in eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts bedürfe nicht der Genehmigung. Die KV will sich nicht zu der Personalie äußern. „Keinen Kommentar“, so KV-Sprecher Matthias Roth.
Nachdem er sein Mandat bei der Landtagswahl 2018 verloren hatte, musste er zum Jahresanfang den Chefsessel im Ministerium zugunsten von Kai Klose (Grüne) räumen. Nach FR-Informationen steht er bereits seit Frühjahr auf der Gehaltsliste der KV. Sein Auftrag: In Berlin politische Lobbyarbeit betreiben. Speziell geht es laut FR darum, die Aktivitäten des umtriebigen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) im Sinne der Ärzte-Lobby zu lenken. Die Ärzte fühlten sich derzeit von Spahn stark drangsaliert – etwa durch das Termin-Servicegesetz, von dem sie sich in ihrer Freiberuflichkeit eingeschränkt sehen.
Als Minister führte Grüttner die Rechtsaufsicht über die KV. Dass er sich nun in deren Diensten stellt, kommt laut FR für manche überraschend. Während Grüttners Amtszeit sei es teils zu heftigen Verwerfungen mit den Ärzten gekommen. Für nicht wenige in der KV sei er der „Krankenhausminister“ gewesen, der die Akteure der stationären Versorgung gegenüber denen der ambulanten bevorzugt habe. So gab es immer wieder Streit darüber, dass Patienten mit Bagatellerkrankungen die Notaufnahmen der Kliniken blockieren.
Sauer habe die KV-Spitze auf die Aussage des damaligen Ministers reagiert, wonach das wichtigste Kriterium für eine Niederlassung von Ärzten familienfreundliche Arbeitszeiten seien. Nach Ansicht der KV sind die niedrigen Honorare ausschlaggebend. Hessen stehe dabei vor Berlin auf dem vorletzten Platz, kritisierte KV-Vorstandsvorsitzender Frank Dastych.
Seit 2015 gilt in Hessen ein Gesetz, das für Regierungsmitglieder die „Karenzzeit nach Ausscheiden aus dem Amt“ regelt. Darin heißt es: „Die Landesregierung soll die Beschäftigung untersagen, soweit zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.“ Allerdings betrifft diese Regelung lediglich den Wechsel in die Privatwirtschaft oder in Unternehmen in öffentlichem Eigentum.
Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst muss weder angezeigt werden noch kann sie von der Landesregierung untersagt werden. Zum öffentlichen Dienst wird dabei „jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände“ gezählt. Das Gesetz kam zustande, nachdem die Grünen 2014 in die Regierung eingetreten waren. Sie hatten den Wechsel aus der Regierung in die Privatwirtschaft stets kritisch kommentiert. So prangerten sie an, dass Roland Koch (CDU) ein halbes Jahr nach seinem Abschied als Ministerpräsident 2011 als Vorstandsmitglied zum Konzern Bilfinger wechselte.
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