Warnhinweise

Grüne wollen Lex Iberogast

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Berlin -

Kordula Schulz-Asche, Gesundheitsexpertin der Grünen, hat Iberogast für sich entdeckt. Nachdem sie Bayer öffentlich kritisierte, Warnhinweise im Zusammenhang mit Schöllkraut bis zum Ablauf des anhängigen Gerichtsverfahrens zu verschleppen, legt ihre Partei nun einen Gesetzentwurf vor, mit dem der sofortige Vollzug von Auflagen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) umgesetzt werden soll.

Das Problem liegt für die Grünen klar auf der Hand: Hersteller haben die Möglichkeit, durch Widersprüche und Anfechtungsklagen die Umsetzung der Auflagen des BfArM zu verzögern. Dabei sei das oberste Ziel aller vom BfArM erlassenen Auflagen die Erhöhung der Arzneimittel- und somit der Patientensicherheit.

Würden die angeordneten Auflagen nicht sofort vollzogen, würden wichtige Informationen, wie etwa die Warnung vor möglichen Nebenwirkungen, die Verbraucher über längere Zeiträume nicht erreichen – „obwohl das BfArM hier notwendige Informations- und Schutzbedürfnisse der Bevölkerung“ sieht. „Es darf nicht sein, dass Patienten nicht oder erst verzögert über mögliche Nebenwirkungen informiert werden“, so Schulz-Asche.

Die Grünen verweisen auf den vom BfArM im Jahr 2008 erlassenen Bescheid zu Schöllkraut-haltigen Arzneimitteln. Die auferlegten Warnhinweise sollten Schwangere und Lebergeschädigte vor der Einnahme der Arzneimittel warnen, so die Grünen. Das BfArM verzichtete nach einem Widerspruch auf den sofortigen Vollzug gemäß §80 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dies führte dazu, dass die Warnhinweise seit zehn Jahren nicht in den Produktinformationen aufgenommen wurden.

Für Schulz-Asche ist der Zustand unhaltbar: „Es ist skandalös, dass eine Arzneimittelbehörde ausdrücklich von der Einnahme eines Arzneimittels abrät und diese wichtigen Informationen den Betroffenen, also vor allem Schwangeren und Kranken, vorenthalten werden.“ Laut der Grünen-Politikerin sagt das BfArM klipp und klar: Iberogast darf von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden. „Dass der Hersteller Bayer das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und sogar auf seinem Internetauftritt im Zusammenhang der Einnahme von Iberogast während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit‘ des ‚rein pflanzlichen‘ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“

Eine Lösung wäre eine Änderung in §28 Absatz 2 Arzneimittelgesetz (AMG). Möglich sei folgende Ergänzung: „Die angeordneten Auflagen sind sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung“. Analog hält es die Schweiz. Der von der Arzneimittelbehörde Swissmedic geforderte Warnhinweis für Iberogast musste sofort umgesetzt werden – trotz Widerspruch seitens Bayer.

Völlig fremd sei die Regelung zum sofortigen Schutz nicht, so die Grünen. Denn Auflagen des BfArM bezüglich Herstellung und Kontrolle von Arzneimitteln und ihren Ausgangsstoffen gemäß § 28 Absatz 3 müssen sofort vollzogen werden. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.

Eine Nachfrage habe gezeigt, dass Iberogast kein Einzelfall ist. In den letzten zehn Jahren sei in 47 Fällen den Auflagen des BfArM, welche die „Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel“ zum Ziel hatten, durch Hersteller widersprochen und somit Warnungen an Patienten verzögert worden. Im Fall von Iberogast habe das Bundesgesundheitsministerium erklärt, dass ein sofortiger Vollzug der Auflagen über die Verwaltungsgerichtsordnung (zu) hohe Begründungsanforderungen erforderte. „Während das Arzneimittelgesetz derweil vorsieht, dass Auflagen des BfArM zur Herstellung und Kontrolle von Arzneimitteln regelmäßig sofort vollziehbar sind, kennt es diesen besonderen Schutz nicht bei Auflagen die die Patientensicherheit betreffen. Aus unserer Sicht eine nicht nachzuvollziehende Gesetzeslücke, dir wir mit dem vorgelegten Entwurf schließen wollen.“

Bei Bayer versteht man die Aufregung nicht, da die gesetzlichen Vorschriften eindeutig seien. Besonders ärgerlich für den Konzern dürfte sein, dass er Schulz-Asche erst vor Kurzem durch den ehemaligen Steigerwald-Standort in Darmstadt geführt hatte. Unter den Herstellern gilt der Vorschlag als kontraproduktiv, weil massive Rückrufaktionen die Folge sein könnten – auch in Fällen, in denen das BfArM selbst keinen Bedarf für sofortigen Vollzug sehe. Selbst bei der Behörde dürfte die Forderung mit Zurückhaltung wahrgenommen werden: Denn dann müsste jede Entscheidung noch sorgfältiger abgewogen werden.

Ursprünglich hatte das BfArM Schöllkraut komplett verbieten wollen. 2008 widerrief die Behörde die Zulassung für alle Präparate mit mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloide. Hersteller von Präparaten mit geringerer Dosierung wurden per Bescheid verpflichtet, Leberschäden als Risiko in die Fachinformation – Nebenwirkungen, Vorsichtsmaßnahmen, Gegenanzeigen – aufzunehmen und die Anwendung auf vier Wochen zu beschränken. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollten die Produkte kontraindiziert sein.

Auslöser waren 48 Fälle hepatotoxischer Reaktionen bis hin zu Hepatitiden, zum Teil mit Cholestase, arzneimittelbedingtem Ikterus, Leberzellschädigung und Leberversagen. Insgesamt wiesen 40 Fälle ikterische Verläufe auf. Aus Sicht der Behörde waren 40 Spontanmeldungen hinreichend dokumentiert; bei 16 war laut BfArM ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich, bei 26 immerhin möglich. Zu Iberogast gab es seinerzeit keine Hinweise auf eine leberschädigende Wirkung.

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