Vertrauensfrage im Bundestag

Scholz verliert im Bundestag

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Berlin -

Heute war es so weit: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte die Vertrauensfrage im Bundestag. Kurz gehalten haben soll er sich zuvor in der Fraktionssitzung, doch für seine Erklärung im Plenum waren 25 Minuten angesetzt. Bereits vergangene Woche hatte Scholz angekündigt, vor der Abstimmung Stellung zu beziehen.

Der Bundestag hat abgestimmt: Mindestens 367 Ja-Stimmen wären notwendig gewesen, um Olaf Scholz im Amt des Bundeskanzlers zu bestätigen. Erhalten hat Scholz jedoch nur 207 Stimmen. 394 Abgeordnete stimmten gegen den Kanzler, 116 enthielten sich. Damit ist der Weg für Neuwahlen geebnet. Im nächsten Schritt wird der Bundeskanzler Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier offiziell um die Auflösung des Bundestags bitten.

Stellungnahmen im Bundestag

Es war gleich der erste Punkt auf der Tagesordnung: Die Ansprache von Scholz zur Vertrauensfrage. Daran, dass ihm der Bundestag heute wieder das Vertrauen aussprechen könnte, scheint auch der Kanzler nicht mehr zu glauben. Statt in seiner Redezeit um das Vertrauen der Abgeordneten zu bitten, schaltete der Kanzler voll auf Wahlkampf.

„Es ist das sechste Mal, dass ein Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellt“, begann Scholz seine Rede. Die großen Fragen, die die Politik gerade zu beantworten habe, wie der Umgang mit dem Ukrainekrieg, der Energiekrise und der schwächelnden Wirtschaft, seien so grundlegend, dass die Wählerinnen und Wähler sie selbst beantworten müssten, erklärt der Kanzler.

„Über drei Jahre hinweg habe ich die Koalition geführt, doch nun habe ich entschieden, dass es so nicht mehr weitergehen kann“, erklärte er. Um in eine Regierung einzutreten, brauche es „sittliche Reife“, erklärte der Kanzler. Ursächlich für den Bruch der Koalition sei die Frage gewesen, ob und wie in Deutschland investiert werden müsse. „Von dieser Frage, hängt alles andere ab, unsere Sicherheit, unser Wohlstand“, erklärte Scholz. Die Wirtschaft müsse vorangebracht werden, dafür sei es höchste Zeit. „Es ist jetzt notwendig, kraftvoll und entschlossen in Deutschland zu investieren.“

Krieg in der Ukraine

„Keine Partei konnte bei der vergangenen Bundestagswahl die Herausforderungen vorhersehen, denen wir uns in den letzten drei Jahren stellen mussten.“ Deutschland sei der größte Unterstützer der Ukraine in Europa; er wolle sich dafür einsetzen, dass das auch so bleibe. Allerdings erteilte er der Lieferung von Taurus-Flugkörpern erneut eine klare Absage. Auch werde Deutschland keine Soldaten in die Ukraine entsenden.

Jetzt investieren

Es brauche jetzt Handlungen, um Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft zu modernisieren, betonte Scholz immer wieder. „Denn wenn sie einmal verloren gehen, kommen sie nicht wieder zurück“, so der Kanzler. Ohne klare Investitionen und gezielte Anreize würde Deutschland im Wettbewerb den Kürzeren ziehen. Diese „Wirklichkeitsverweigerung“ müsse ein Ende haben, jetzt müssten Zukunftsinvestitionen getätigt werden.

Auf die Gesundheitspolitik kam Scholz nur indirekt zu sprechen, im Zusammenhang mit der Migrationspolitik. Deutschland sei ein modernes Einwanderungsland. Es brauche hier zukunftsfähige Lösungen, schließlich würde sonst zum Beispiel in der Pflege oder in Krankenhäusern nichts funktionieren. „Nicht mit starken Sprüchen kommt man in der Migrationspolitik voran, sondern mit beherztem Handeln“, erklärt er.

„Das Vertrauen ist in den vergangenen Jahren strapaziert worden“, räumte der Kanzler ein. „Alle Demokratinnen und Demokraten müssen nach einer Wahl bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam zu arbeiten. Ich vertraue auf Ihre Vernunft“, appellierte der Kanzler. Zum Abschluss erklärt Scholz: „Für Deutschland werde ich jeden Tag mein Bestes geben. Deshalb bitte ich Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, um Ihr Vertrauen.“

Merz: „Vertrauen nicht verdient“

Friedrich Merz kritisiert den Bundeskanzler, Scholz’ Respekt höre da scheinbar auf, wo andere politische Meinungen beginnen würden. Der Kanzlerkandidat der Union betonte: Der Streit um die Schuldenbremse sei entstanden, weil „Sie nicht in der Lage waren, die Koalition aus SPD, FDP und Grüne zusammenzuhalten“. Scholz hinterlasse die Bundesrepublik in einer der größten Wirtschaftskrise seit der Nachkriegszeit, betonte er. Auch der Wirtschaftsminister Robert Habeck trage hier Verantwortung. Merz bezeichnete den Vizekanzler als „Gesicht der Wirtschaftskrise in Deutschland.“ Mit der CDU/CSU würde eine grundlegend andere Wirtschafts- und Energiepolitik kommen. Scholz hätte seine Chance gehabt, er habe sie nicht genutzt. „Sie, Herr Scholz, haben das Vertrauen nicht verdient“, erklärte Merz.

Habeck: Weg freimachen für Neuwahlen

„Man kann in einer Regierung nicht gegen die Regierung sein“, erklärte Robert Habeck. Die Frage heute sei, ob der Weg zu Neuwahlen frei gemacht werden solle. Daher werde sich die Grünen-Fraktion enthalten. Zwar beginne nun der Wahlkampf, das heiße aber nicht, dass das Parlament nicht handlungsfähig sei, erklärte Habeck, und kritisierte die ablehnende Haltung der Opposition.

Statt zu blockieren, müsse die Opposition auch jetzt für das Land arbeiten. Die Ampel habe ein „schweres Erbe“ angetreten, so Habeck. Unter anderem kritisierte er hier die Abhängigkeit vom russischen Gas und den schlechten Zustand der Bundeswehr. Es sei zu wenig investiert worden. Auch eine nächste Regierung werde es nicht einfacher haben. „Jetzt könnte man es anders machen, aber sie verweigern die Zusammenarbeit.“

Lindner: „Die Zeche zahlen die Kinder“

„Deutschland befindet sich in einer Wirtschaftskrise“, erklärt Christian Lindner. Tausende Menschen müssten um ihren Arbeitsplatz bangen, und die Ampelregierung sei gescheitert, weil sie keine Kompromisse gefunden habe. Ein sinkender Lebensstandard sei die Folge. „Eine Wachstumsorientierte Politik ist immer auch die sozialste Politik, die es gibt“, betont der FDP-Politiker. Die Regierung Scholz sei nicht an fehlenden Kompromissen gescheitert, fügt Lindner hinzu. „Als ich mich weigerte, 15 Milliarden Euro außerhalb der Schuldenbremse bereitzustellen, wurde ich entlassen.“ Scholz habe kein Vertrauen verdient.

Wenig überraschend nutzte der Ex-Finanzminister die Gelegenheit, um die Schuldenbremse zu verteidigen. Milliarden einzusetzen, um die Mehrwertsteuer zu senken, bringe weder Arbeitsplätze noch einen wirtschaftlichen Aufschwung, so Lindner. Stattdessen verteilte der Kanzler „nur Kamellen“. „Die Zeche für diese Investitionen werden unsere Kinder zahlen müssen“, kritisierte er. Stattdessen solle man Maßnahmen fördern, die Arbeit wieder lohnenswert machen – etwa durch die Erhöhung des Grundfreibetrags und Einsparungen beim Bürgergeld.

Lindner verwies außerdem auf die Unternehmenssteuern: Während andere Länder, wie die USA, die Steuerlast für Unternehmen senken, bliebe Deutschland im internationalen Vergleich auf der Stelle. „Aufstieg hat immer auch etwas mit Leistung zu tun“, betonte er abschließend.

Tino Chrupalla (AfD) erklärte, dass man dem Bundeskanzler aufgrund der wirtschaftlichen Lage das Vertrauen nicht aussprechen könne. Dennoch lobte er Scholz‘ Entscheidung, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern abzulehnen. Zuvor hatte auch die AfD-Chefin Alice Weidel Schulz vorgeworfen, er habe Deutschland heruntergewirtschaftet. Auch die Linke und die parteilosen Abgeordneten wollen Scholz das Vertrauen nicht aussprechen.

Auch Sahra Wagenknecht (BSW) fand klare Worte in Richtung des Kanzlers. Statt sich bei den Wählerinnen und Wählern für die Fehler der Regierung zu entschuldigen, halte Scholz eine 25-minütige Wahlkampfrede, kritisierte sie. Die von Scholz vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer bezeichnete Wagenknecht zwar als gute Idee, fragte aber: „Warum hat er das in den letzten drei Jahren nicht umgesetzt?“ Das könne niemand mehr ernst nehmen, so die Politikerin.

Vor Bekanntgabe des Ergebnisses erklärte die AfD Abgeordnete Christina Baum, dass sie Scholz das Vertrauen ausgesprochen habe, weil er die Taurus-Marschflugkörper verweigerte. Mit Merz, der durch die vorgezogenen Neuwahlen wohl Kanzler werden würde, würde eine Eskalation des Krieges herbeigeführt, erklärte sie ihr Abstimmungsverhalten. Wenigstens von einer Handvoll AfD-Abgeordneter wurde ihr applaudiert.

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