Jamaika-Sondierung

Grüne ohne Gesundheitspolitiker am Start Lothar Klein, 26.09.2017 10:53 Uhr

Berlin - 

In den ersten Tagen nach der Wahl stellen sich die neuen Bundestagsfraktionen für die anstehenden Aufgaben auf. Die FDP hat schon reagiert und ihren Vorsitzenden Christian Lindner planmäßig zum neuen Fraktionschef gewählt. Die Grünen sind schon einen Schritt weiter und haben die „Sondierungsgruppe“ für die anstehenden Jamaika-Gespräche bestimmt. Gesundheitspolitiker sind nicht im Team – ein erstes politisches Signal. CDU und CSU lecken noch ihre Wunden: Zunächst wird die neue Fraktionsspitze gewählt.

Mit 14 Personen werden die Grünen in die Sondierungsgespräche für eine Koalition mit Union und FDP ziehen. Dabei haben sie sich inhaltlich und politisch breit aufgestellt: Fundi Jürgen Trittin ist ebenso in der Gruppe wie der konservative Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Geführt werden die Gespräche von den beiden Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir. Weitere Mitglieder in der Sondierungsgruppe sind: Fraktionschef Anton Hofreiter, der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck, Fraktions-Geschäftsführerin Britta Haßelmann, die ehemaligen Parteivorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer, die aktuelle Parteichefin Simone Peter, Parteimanager Michael Kellner und die Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock, Agnieszka Brugger und Katja Dörner.

Von der Zusammensetzung gehen politische Signale aus: Gesundheitspolitik wird kein zentrales Thema der Jamaika-Sondierung werden: Prominente Gesundheitspolitiker wie Kordula Schulz-Asche oder Maria Klein-schmeink gehören nicht zum Team. Die großen strittigen Themen Klimapolitik, Ausländerpolitik und Mietpreise dürften dominieren. Das sind die Spezialthemen der Abgeordneten Baerbock, Brugger und Dörner.

Dem Vernehmen nach gab es bereits vor der Bundestagswahl eine Treffen der Fundi-Fraktion. Dabei soll es grünes Licht für eine Jamaika-Koalition gegeben haben – unter einer Bedingung: Kein Mitglied der „Fundis“ übernimmt ein Ministerium in einer Jamaika-Regierung. Der Grund: Damit wären die Fundis frei für innerparteiliche Opposition. Allerdings wurde die frühere NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens bereits als Kandidatin gehandelt, die ebenfalls zur Fundi-Gruppe gehört.

Bei der FDP ist es noch nicht so weit. Die neue 80-köpfige Fraktion muss sich erst noch finden – Büros beziehen, Telefonnummer erhalten, Arbeitsgebiete verteilen. Um den Aufbau der Fraktion kümmert sich in den nächsten Wochen ein enger Vertrauter von Parteichef Lindner: Marco Buschmann, bisher Bundesgeschäftsführer der FDP, wurde zum ersten Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. Zu weiteren Parlamentarischen Geschäftsführern wurde die Abgeordneten Stefan Ruppert und Florian Toncar bestimmt. Buschmann verfügt bereits über Parlamentserfahrung: Von 2009 bis 2013 saß er bereits im Bundestag.

Die CDU/CSU-Fraktion muss sich ebenfalls nach der Niederschlage noch finden: Als erstes wählt die CSU-Landesgruppe nach dem Ausscheiden von Gerda Hasselfeldt zur Stunde Alexander Dobrindt zu ihrem Vorsitzenden. Damit ist klar, dass der Verkehrsminister in der neuen Regierung kein Ministeramt mehr übernehmen wird.

Die gemeinsame CDU/CSU-Fraktion wählt anschließend Volker Kauder erneut zu ihrem Vorsitzenden. Damit soll der Merkel-Vertraute der Kanzlerin wie gewohnt in der Fraktion die Unterstützung organisieren. Noch nicht gewählt werden die Stellvertreter. Damit erfolgt auch noch keine Zuteilung der Arbeitsgebiete. In der auslaufenden Wahlperiode war der CSU-Politiker Georg Nüßlein als Fraktionsvize für Gesundheit zuständig. Nüßlein konnte sein Direktmandat verteidigen. Vermutlich wird er diese Aufgabe daher weiterführen.

Die nächste bedeutende Personalie ist die Wahl des Bundestagspräsidenten, wenn der neu gewählte Bundestag Mitte Oktober zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt. Mit der Wahl Kauders zum Fraktionschef scheidet er aus dem Kandidatenkreis aus. Als Anwärter werden in der Union werden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU) genannt. Traditionell stellt die größte Fraktion des Bundestagspräsidenten. Als Favorit gilt inzwischen Schäuble, weil man dem 75-Jährigen die notwendige Autorität zutraut, mit den Abgeordneten der neuen AfD-Fraktion umzugehen.

Damit wäre für Gröhe der Weg frei für die Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen. Gröhe gilt als Befürworter einer Jamaika-Regierung und ist überdies mit Lindner persönlich befreundet. Außerdem pflegt der ehemalige CDU-Generalsekretär seit langen Jahre engen Kontakte zu den Grünen.

Die SPD-Fraktion steht vor einem Neustart. Arbeitsministerin Andrea Nahles soll die Führung übernehmen. Weil Nahles zum linken Flügel gehört, ist diese Personalie in der SPD nicht unumstritten. Der starke konservative Seeheimer Kreis grummelt. Heute treffen sich zunächst die Abgeordneten der „alten“ und „neuen“ SPD-Fraktion zu einem gemeinsamen Treffen. Am Mittwoch soll die Wahl von Nahles stattfinden. Ob Karl Lauterbach erneut Fraktionsvize mit Zuständigkeit für Gesundheit wird, ist offen. Lauterbach hat zwar sein Direktmandat in Köln-Mülheim/Leverkusen klar gewonnen, aber in der Opposition sind die interessanten Posten knapp. Die Wahl der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden soll erst später stattfinden.