Grüne Kontakte für Celesio Patrick Hollstein, 23.10.2007 16:18 Uhr
An diesem Freitag veranstaltet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im
Bundestag ein Fachgespräch zum Thema „Die Zukunft des Apothekenmarkts“.
Mit von der Partie im Jakob-Kaiser-Haus wird der Celesio-CEO Dr. Fritz
Oesterle sein. Der Gleichklang der einstmals alternativen Partei und des
milliardenschweren Konzerns beim Thema Apothekenketten ist für viele
Beobachter frappierend. Nach Recherchen von APOTHEKE ADHOC steht in der
Abteilung „Corporate External Affairs“ des mehrheitlich zum
Haniel-Imperium gehörenden Konzerns mit Niombo Lomba ein ehemaliges
Mitglied des Bundesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen in Lohn und
Brot. Die Mission des einstigen politischen Shootingstars dürfte klar
sein: Kontakt halten zu den Parteien.
Celesio hatte Lomba im Oktober 2006 an Bord geholt, kurz nachdem die Grünen mit ihrem Antrag, das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken zu kippen, im Bundestag gescheitert waren. Während sich der einstige Staatssekretär in Baden-Württemberg und Ex-Daimler-Mann Matthias Kleinert als Leiter „Corporate External Affairs“ bereits seit August 2004 bei Celesio offenbar vor allem um den Draht zu den wirtschaftsnahen Parteien kümmert, soll Lomba womöglich primär die Grünen weiter für eine Liberalisierung einspannen.
Celesios Personalpolitik scheint strategisch ausgerichtet zu sein: Lomba dürfte über zahlreiche Kontakte zu Politikern verschiedener Fraktionen verfügen, vor allem aber scheint die heute 34-Jährige innerhalb der eigenen Partei vernetzt. Im Bundesvorstand arbeitete Lomba zwischen 2000 und 2002 hauptberuflich mit den beiden heutigen Fraktionsspitzen Fritz Kuhn und Renate Künast sowie dem derzeitigen Parteivorsitzenden Reinhard Bütikofer zusammen. Claudia Roth dürfte Lomba aus ihrer Zeit bei den Augsburger Grünen kennen.
Neben ihrem eng geknüpften Netzwerk könnten für die Anstellung Lombas deren intime Kenntnisse über die Arbeitsweisen in Partei, Fraktion und Arbeitsgruppen entscheidend gewesen sein. Lomba dürfte nicht nur die Repräsentanten der ersten und zweiten Reihe kennen, sondern auch Büroleiter und den parlamentarischen Mittelbau in Berlin und Brüssel. In verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsgruppen arbeitete die ehemalige Spitzenpolitikerin gemeinsam mit mindestens fünf der sieben Abgeordneten, die im Bundestag die Zulassung von Apothekenketten gefordert hatten.
Offensichtlich war für Lomba ziemlich früh klar, dass ihre politische Karriere zum Sprungbrett in den Lobbyismus werden kann: Bereits während ihrer Zeit im Bundesvorstand hatte sie in einem Interview mit dem Deutschlandradio erklärt, sich der Politikberatung verschreiben zu wollen. Ab 2003 war Lomba zunächst für die Berliner Politik-Agentur PRGS Public Relatio Governmental Solutions tätig; von 2005 an arbeitete sie als selbstständige Politikberaterin.
Wann der Kontakt zu Celesio zustande kam, ist APOTHEKE ADHOC bislang nicht bekannt. Lomba gab bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme ab. Im Frühjahr 2006 zog Lomba aus Berlin zurück in ihre Stuttgarter Heimat. Dort ist sie eigenen Angaben zufolge noch immer Mitglied im Kreisverband der Grünen – ebenso wie die gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Biggi Bender.
In deren Stuttgarter Wahlkreis liegt auch die Konzernzentrale von Celesio, einem der wichtigsten Unternehmen der Region. Bender gilt als eine der energischsten Verfechterinnen für die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes in ihrer Partei und im gesamten Bundestag.
Gegenüber APOTHEKE ADHOC erklärte Bender zum Engagement ihrer Fraktion, man müsse sich auf die anstehenden Veränderungen im Apothekenbereich vorbereiten. Man dürfe nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs warten, sondern müsse Konzepte entwickeln, wie im Falle einer Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes der Übergang gestaltet werden könne.
Die Einbeziehung Celesios in die Diskussion mache dabei Sinn, da der Konzern selbst Ketten im Ausland betreibe, so Bender. Eine Einbindung des Konzerns in die Planung und Organisation der Diskussionsveranstaltung habe es aber nicht gegeben.
Bender erklärte auch, sie sei enttäuscht, dass die Apothekerverbände die Einladung zum Dialog abgelehnt hätten. Die Fronten scheinen verhärtet: Vor wenigen Wochen blieben die Grünen ihrerseits dem Apothekertag in Düsseldorf und damit den Apothekern fern – obwohl sie mit ihrer politischen Kraft doch gerade deren berufliche Zukunft entscheidend verändern wollen. Die Grünen werden sich fragen lassen müssen, ob die nötige Distanz zwischen Partei und Konzern in der politischen Diskussion um eine Liberalisierung des deutschen Apothekenmarktes und die Zukunft von mehr als 20.000 selbstständigen Unternehmern gewahrt bleibt.