Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens will die Bundesregierung aufs Tempo drücken. Mit einem zweiten E-Health-Gesetz will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Einführung der elektronischen Patientenakte beschleunigen. In drei Jahren soll diese allen Patienten zur Verfügung stehen. Dabei setzt das BMG auf den Wettbewerb der Anbieter. Verschieden Kassen bieten bereits eigene Patientenakten an. Wie passt das alles zusammen? Die Grünen wollen Klarheit in das in der Öffentlichkeit entstandene „Kuddelmuddel“ bringen und fragen jetzt die Bundesregierung nach ihren Plänen.
Die elektronische Patientenakte gelte als „Schlüsselanwendung“ der Digitalisierung im Gesundheitswesen, schreiben die Grünen in einer Kleinen Anfrage. Einerseits könne eine solche Akte die Kooperation, Kommunikation und sektorübergreifende Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung verbessern, weil Doppeluntersuchungen vermieden und vorhandene Informationen wie etwa Diagnosen, Befunde und Entlassberichte einrichtungsübergreifend zugänglich gemacht würden. Andererseits könne eine solche Akte die digitale Souveränität der Versicherten stärken, weil sie selbst darüber entscheiden, wer welche Informationen über sie erhalte.
Inzwischen gebe es bereits verschiedene Angebote von Krankenkassen für elektronische Gesundheitsakten. Dazu gehörten Angebote der AOK Nordost, der Techniker Krankenkasse sowie eines Zusammenschlusses verschiedener gesetzlicher und privater Krankenversicherungen (Vivy). Derzeit existieren jedoch parallel verschiedene gesetzliche Grundlagen zur Umsetzung von durch die gesetzliche Krankenversicherung finanzierten elektronischen Akten.
Außerdem arbeite die Gematik laut Medienberichten am Entwurf einer Spezifikation beziehungsweise eines Lastenheftes für die elektronische Patientenakte. Zudem werde die fehlende Schnittstelle zwischen dieser Patientenakte und den elektronischen Gesundheitsakten der Krankenkassen kritisiert. Ohnehin stelle sich die Frage, in welchem Verhältnis die Gesundheitsakten zueinander stünden, welche gemeinsamen Vorgaben etwa zur Interoperabilität bestünden, was sie konzeptionell und hinsichtlich Zweck und Zielrichtung unterscheide.
Bislang gebe es keinen einheitlichen Regulierungsrahmen für alle von den Kassen finanzierten elektronischen Akten. Aus Sicht der Grünen ist das wesentliche Ursache für das in der Öffentlichkeit beklagte „Kuddelmuddel“. Deshalb wollen die Grünen von der Bundesregierung wissen, worin sich die bereits angebotenen Patientenakten unterscheiden: „Warum hat die damalige Bundesregierung 2015 bei ihrem Entwurf für ein E-Health-Gesetz darauf verzichtet, einen abgestimmten Regulierungsrahmen für alle von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzierenden elektronischen Akten vorzulegen?“
Wissen wollen die Grünen auch, wie die elektronische Patientenakte konkret ausgestaltet werden soll und ob der gesetzliche Anspruch der Versicherten auf Aktualisierung ihres elektronischen Medikationsplanes noch im Jahre 2019 realisiert werden kann.
In einem Schreiben an die Gematik-Gesellschafter hatte der für Digitalisierung zuständige Abteilungsleiter im BMG, Dr. Gottfried Ludewig, bereits zu einigen der Fragen Stellung bezogen: „Bei der konkreten Ausgestaltung kommender Projekte setzen wir auf die Innovationskraft eines regulierten Wettbewerbs“, heiß es darin. „In diesem Bereich müssen wir schneller werden“, so Ludewig an deren Adresse.
Das BMG halte am Aufbau der TI fest, versichert Ludwig. Die Planungen zum Anschluss der Kliniken und Apotheken über Konnektoren und den dazugehörigen „E-Health-Kartenterminals“ gingen unverändert weiter. Als nächstes folge der Pflegebereich. Das sichere Gesundheitsnetz stelle die Basis für die Digitalisierung des Gesundheitsbereichs dar.
Ziel sei, den Versicherten mobile Zugänge zu öffnen. Dabei gehe es nicht um den vollständigen Ersatz des geplanten Zugangs über die eGK und Lesegeräte. Darauf solle auch weiterhin zugegriffen werden können. Aber auch „mobile Authentifizierungsverfahren“ müssten genutzt werden können, so Ludewig: „Aus unserer Sicht entspricht dies der Lebensrealität vieler Versicherter und muss entsprechend umgehend in Planungen ergänzt werden.“ Gemeint sind damit Zugänge über Smartphones und Laptops. Spätestens nach der Sommerpause werde das BMG dazu Details vorstellen.
Zuvor hatte Ludewig beim Digitalisierungskongress der Kassenärzte (KBV) ein zweites E-Health-Gesetz und rasche Entscheidungen zum E-Rezept angekündigt. „Wir können bei Fernverschreibungen keine jahrelangen Abwehrkämpfe mehr führen.“ Bei der von den Ärzten beschlossenen Fernbehandlung könne man nicht stehen bleiben, sagte der Digitalisierungschef des BMG. „Wir wollen den Wandel mitgestalten und nicht, dass er von außen kommt“, so Ludewig, „wir wollen, dass das in Deutschland passiert.“
Dabei machte Ludewig deutlich, dass die Aufgaben der Gematik neu geordnet werden sollen: Die Gesellschaft soll zu einer Art „Netzagentur“ umgebaut werden, die für Technik und die technischen Standards zuständig ist. Über die Entwicklung von digitalen Anwendungen soll der Wettbewerb entscheiden. Gesetzlich vorschreiben will das BMG aber, dass in die elektronische Patientenakte die Rechnung für den Arztbesuch aufgenommen wird. Laut Ludewig ist des das Ziel des BMG, dass in spätestens drei Jahren für alle Versicherten eine elektronische Patientenakte (EPA) zur Verfügung steht.
APOTHEKE ADHOC Debatte