Gemeinsam auf Kaperfahrt Alexander Müller, 07.03.2015 07:59 Uhr
Das Bild vom gemeinsamen Boot wird vom Großhandel immer wieder gern beschworen. Aber wenn es um Konditionen geht, ist es mit der Harmonie schnell vorbei. Damit es künftig versöhnlicher zugeht, wollen die politischen Vertretungen beider Seiten gemeinsame Sache machen. Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) will zusammen mit dem Großhandelsverband Phagro für eine bessere Vergütung der Apotheker und der Großhändler kämpfen. Doch bei der Diskussionsrunde im Rahmen der Interpharm mit Gehe-Chef Andre Blümel und Noweda-Chef Wilfried Hollmann wurde schnell klar, dass es im gemeinsamen Boot nur bequem wird, wenn mehr Geld die Löcher stopft.
Nach der Honorarumstellung 2004 hätten die Apotheker bis zum Jahr 2013 auf eine Honoraranpassung warten müssen, so Becker. „Da fehlt beinahe ein Euro, damit wir wieder vernünftig finanziert wären.“ Der Großhandel habe jetzt dasselbe Problem. „Es müsste mehr Geld ins System“, sagte der DAV-Chef. Jetzt müssten die Apotheker gemeinsam mit dem Phagro versuchen, die Fixhonorare für beide hoch zu bringen.
Noweda-Chef Hollmann pflichtete bei: „Das System braucht mehr Geld.“ Den Apotheken fehle eine Masse, aber die könne der Großhandel nicht ausgleichen. Aus Hollmanns Sicht ist der derzeitige Kassenabschlag von 1,77 Euro überhaupt nicht gerechtfertigt. Ein Betrag von unter einem Euro wäre ökonomisch angemessen, sagte Hollmann. Die GKV beanspruche immer noch ihren Großkundenrabatt. „Aber es gibt keinen einzigen Großkunden in Apotheken. Da muss jede Packung einzeln abgegeben werden“, so Hollmann.
Gehe-Chef André Blümel reihte sich ein: „Wir brauchen mehr Geld im System, auf Apothekenebene und auf Großhandelsebene.“ Die Großhändler hätten bei ihrer Honorarumstellung ein Fixum von 90 Cent pro Packung gefordert, am Ende seien es mit dem AMNOG 70 Cent geworden. „Dieses Delta fehlt uns heute“, so Blümel. Wesentliche Einsparpotentiale im System gebe es auch nicht mehr, man habe in den vergangenen Jahren permanent rationalisiert.
Wenn es aber nichts wird mit der gemeinsamen Forderung nach mehr Geld, sind die Beteiligten ein bisschen ratlos. Hollmann ist überzeugt, dass die Apotheker die Leistungen des Großhandels nicht eingeschränkt sehen wollen: „Wenn wir alle AEP werden, haben wir eine Belieferungsfrequenz wie in der DDR.” Und damit war man bei dem neuen Konkurrenten angekommen. AEP sei kein vollversorgender Großhändler, so Blümel. „Ich behaupte, dass die Apotheke mit dem Servicestandard nicht zurechtkommt.”
Becker würde sich von den anderen Großhändlern trotzdem transparentere Konditionenmodelle wünschen: „Ich hadere schon mit Belieferungszuschlägen”, so der DAV-Chef. Außerdem setze er in seiner Apotheke auf zwei Großhändler, um Lieferengpässe ausgleichen zu können.
Einfachheit in der Rechnung sei ein naheliegender Wunsch, konterte Blümel. Aber Gehe wolle für jeden Kunden individuell das bestmögliche erreichen. Das spiegele sich in den Konditionen wider. Natürlich könne man Rechnungen einfacher gestalten, ergänzte Hollmann, das führe aber zu Rosinenpickerei: Wenn die Apotheke mit einheitlichem Rabatt bestimmte Produkte woanders einkaufe, müssten die Großhändler wieder neu rechnen.
„Wir brauchen Rabatte zur Steuerung des Umsatzes, einen Einheitsrabatt kann es nicht geben”, so der Noweda-Chef. Das sah auch Gehe-Mann Blümel so. Aber Becker gab nicht nach: „Nicht Einheit, sondern Klarheit.” Da schaukelte das gemeinsame Boot kurzfristig ein bisschen.
Über differenzierende Leistungen wurde nur wenig diskutiert. Blümel versuchte nur einmal, mit WawiTop einen Stich zu machen. Becker meinte, Seminare von Großhändlern könne man sicherlich streichen und Hollmann bemerkte mit Blick auf die Lieferfrequenz, dass Kostenverursachung „schon eine Frage ist, die sich die Apotheken stellen müssen”.
Gemeinsam mit den Apotheken will sich Hollmann dagegen gegen Skonto-kürzende Hersteller wehren. Wenn diese sich am Großhandel schadlos hielten, würde das ansonsten zwangsläufig auf die Apotheken durchschlagen. „Wir müssen uns gemeinsam wehren. Die gesamte Branche muss sich helfen”, so der Noweda-Chef.
Apropos Skonto: Vom dem geplanten Prozess der Wettbewerbszentrale gegen AEP sei er ein absoluter Gegner, beteuerte Hollmann. „Wir brauchen die Freiheit, auch im Skontobereich, und keine Festlegung.” Denn sollte es zu einem Urteil kommen, seien alle daran gebunden. Hollmann ist auch überzeugt, dass der Großhandel nicht dahinter stecke, wobei er freilich nicht für Einzelne sprechen könne. Er hat eher die Industrie im Verdacht, die auf diesem Weg die eigenen Skonti gegenüber den Großhändlern mit abschaffen wolle.
Becker bedauerte, dass die Apotheken überhaupt von den Konditionen der Großhändler abhängig seien. „Der Großhandel entscheidet mit über den wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke.” Wenn das so weiter gehe, stehe die flächendeckende Versorgung auf dem Spiel. Spätestens das werde auch die Politik wieder auf den Plan rufen.
Hollmann war nicht überzeugt, dass der Großhandel entscheidend dazu beitrage, ob eine kleine Apotheke überlebt oder nicht. Der Noweda-Chef nutzte die Gelegenheit für ein bisschen Genossenschaftswerbung. Hier würden die Apotheken zu 100 Prozent über die Großhandelsspanne selbst verfügen. Über die Spanne abzüglich der Kosten, warf Blümel ein. „Und je nachdem, wie ich die manage, bleibt mehr oder weniger übrig“, so der Gehe-Manager.
Die Konditionengestaltung habe immer bestimmte Phasen durchgemacht. In den vergangenen zwei Jahren seien sie nach oben gegangen und vielleicht ein bisschen überhitzt, so Blümel. Jetzt würde es womöglich wieder in die andere Richtung gehen. „Paradiesische Zustände hat es nie gegeben, weder für Apotheken, noch für Großhändler“, so Blümel. Unausgesprochen: Außer es gibt mehr Geld. Für das gemeinsame Boot.