Drei Wochen lang haben die Gesundheitsexperten von Union und SPD
verhandelt. Schnell einig war man sich über ein altes neues Sparpaket
für die Pharmaindustrie, ein neues Vergütungssystem für Kliniken und
eine Reihe mehr oder weniger schwammiger Bekenntnisse zum bestehenden
System. Gestritten werden sollte ja bekanntlich zum Schluss, doch die
beiden Kernfragen – Zusatzbeitrag und Pflegeversicherung – verwiesen die
Fachpolitiker jetzt ohne eigenen Kompromissvorschlag an ihre
Parteispitzen. Womit sich die Frage stellt, wer denn nun den
Ministerposten übernehmen wird.
Liest man das Abschlusspapier der AG Gesundheit, wird schnell klar, dass hier Leute verhandelt haben, die das System aus dem Effeff kennen. Bis hinein in einzelne Paragraphen werden Änderungen angekündigt; meist geht es darum, Probleme aus dem Versorgungsalltag aus dem Weg zu räumen. Ansonsten werden viele Regelungen „weiterentwickelt“, die die Vorgängerregierungen verabschiedet hatten und die bislang nicht so recht in Schwung gekommen sind.
An einen „großen Wurf“ haben sich die Gesundheitsexperten nicht heran gewagt, wohl auch, weil Fundamentalpositionen etwa zur GKV-Finanzierung schon in der letzten Großen Koalition abgeschliffen wurden. „Es wird keine Bürgerversicherung geben. Das hat die SPD nun endlich auch akzeptiert“, postete Jens Spahn (CDU) auf Facebook. Man hätte sich mehr erwarten können; das Format der Chefunterhändler ist eher Staatssekretär als Minister.
Vielleicht ist das Gesundheitswesen ja wirklich so gut, dass es keine akuten Großbaustellen gibt. Dann hätte die AG Gesundheit alles richtig gemacht. Dann wäre es gut, wenn ein „Sachwalter“ im Ministerium das Sagen hätte – mit dem eng abgesteckten Handlungsradius wäre fast schon egal, ob Spahn oder Lauterbach in Bahrs Büro einziehen.
Der Weg zu echten Reformen scheint durch Mangel an Vision im Koalitionsvertrag jedenfalls verbaut. Wer will schon ein Ressort übernehmen, in dem er politischen Vereinbarungen folgen muss, die er nicht verhandelt hat. Und selbst wenn sich jemand fände: Wer Strukturreformen angehen wollte, müsste sich von den vielen kleinen Schatten befreien und die beiden Chefexperten neutralisieren.
Viel wahrscheinlicher ist daher, dass in bewährte Handlungsmuster zurück gefallen wird: Sparen bei denen, die man nichts gewinnen lässt und die deshalb alles zu verlieren haben. Gerade in einer Großen Koalition bräuchte es dafür ein gewisses Maß an Überparteilichkeit – was für die Betroffenen umso gefährlicher ist.
Dass die Apotheker im Koalitionsvertrag keine regelmäßige Anpassung ihrer Vergütung versprochen bekommen, ist nach den Erfahrungen mit dem Pick-up-Verbot verständlich. Andererseits: Für andere Berufsgruppen ist genau das explizit vorgesehen. Der Erhalt der Freiberuflichkeit klingt fast schon wie ein Menetekel, und dass die Substitutionsliste der Selbstverwaltung entzogen wird, ist eher Bekämpfung der Symptome statt kausale Therapie.
So unglaublich es klingen mag: Vielleicht sind die Apotheker mit ihren Wünschen nach einer Weiterentwicklung des Versorgungsauftrags und einem flächendeckenden Medikationsmanagement für diese Große Koalition einfach zu visionär gewesen.
APOTHEKE ADHOC Debatte