Fünf Tage plus 24 zähe Stunden haben CDU, CSU und SPD über eine neue GroKo sondiert. Wer am 24. September diesen Parteien seine Stimme entzog, dürfte sich jetzt bestätigt sehen: Die vorliegenden Inhalte zeichnen ein langatmiges politisches „Weiter-So“. Von Aufbruch, von politischem Mut und neuen Ideen fehlt in den 28 Seiten jede Spur. Das gilt auch für die Anliegen der Apotheker. Das nervige Ringen um eine Antwort auf das EuGH-Urteil geht mit der GroKo – wenn es am Ende tatsächlich dazu kommt – ebenfalls in die Verlängerung, kommentiert Lothar Klein.
Für das Bekenntnis von Union und SPD zur Sicherung der Vor-Ort-Apotheken können sich die Apotheker bis auf Weiteres nichts kaufen. Das ist inhaltsleere politische Lyrik – schöne Worte, mehr nicht. Sogar die FDP könnte diese Passage mitzeichnen, obwohl sie eine völlig andere Apothekenlandschaft vor Augen hat. Jeder definiert die politische Heilslehre für die Pharmazeuten auf seine ideologische Weise. Das Tauziehen um die konkreten politischen Antworten wird also in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen erneut die Nerven strapazieren.
Aber dafür hat sich die Ausgangslage durch das Honorargutachten verändert. Es gibt mit den 256 Seiten einen politischen Tauschgegenstand mehr. Wenig überraschend, aber sehr wahrscheinlich dürfte daher am Ende ein Kompromiss stehen, der den Apotheken einen Fonds zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung beschert und zugleich das Rx-Versandverbot verweigert. Damit wäre so gut wie nichts gewonnen, aber für die Apotheken am Rande des Existenzminimums vieles verloren.
Ob es dazu kommt, steht aber noch in den Sternen. Denn keineswegs ist gewiss, dass die SPD-Basis das sich abzeichnende politische Programm einer neuen GroKo für attraktiv genug hält, um in den sauren Merkel-Apfel zu beißen. Die SPD kann bei der zum Big-Point hochstilisierten Bürgerversicherung wieder nicht liefern. Dafür soll sie der Erhöhung des Wehretats um zwei Milliarden Euro zustimmen. Das wird schwierig. Unter dem Strich ist die Liste der GroKo-Trophäen, die die SPD-Führung ihrer Basis präsentieren kann, nicht überzeugend.
Aber Politik funktioniert nach eigenen Gesetzen. Es sollen viele Milliarden Euro in die Hand genommen werden, die den großen SPD-Landesverbänden die Zustimmung leichter machen wird. 48 Milliarden Euro lassen sich Union und SPD die zweite GroKo infolge kosten. Die Kommunen erhalten Geld für Schulen, Infrastruktur, öffentlichen Nahverkehr – 12 Milliarden Euro. Und NRW erhält einen Extra-Bonus für den Strukturwandel Kohlepolitik, obwohl dieser längst vollzogen sein sollte. Wo die Aussicht für Kommunalpolitiker am Horizont erscheint, in den kommenden Jahren viel Geld ausgeben zu können, werden sich möglicherweise die politischen Einschätzungen anpassen.
Es wird also spannend bleiben in der SPD: Die Mehrheit für eine Zustimmung steht auf der Kippe. Auch wenn der SPD-Parteitag den Weg für Koalitionsverhandlungen am 21. Januar frei macht, ist die zweite GroKo in Folge keineswegs gewiss. Um die SPD-Basis zu überzeugen, müssten wenigstens die mageren und wenig strahlenden Inhalte von einem überzeugenden Personalangebot präsentiert werden. Aber wer verkörpert die Energiewende, wer den Klimaschutz, wer den digitalen Aufbruch?
Merkel kann das längst nicht mehr, sie dümpelt in ihre vierte Amtszeit hinein. Auch wenn man von der Politik nicht unbedingt Visionen einfordern sollte, etwas zukunftsgerichteter könnte sich die GroKo schon präsentieren: Vieles wird in den nächsten Wochen daher von der Regierungsbildung abhängen. Merkel steht bestensfalls noch für Stabilität. Das reicht für vier Jahre im Kanzleramt nicht aus.
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