Die Basis hat entschieden: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sollen die SPD führen. Das schüttelt nicht nur die Traditionen der altehrwürdigen Sozialdemokratie ordentlich durch, sondern sorgt in der Großen Koalition für neue Unruhe. In der Union machen bereits Planspiele für den Ausstieg der SPD die Runde. Das neue Führungsduo könnte das Ende der GroKo einläuten. Davon wäre nicht nur Bundesgesundheitsminister Jans Spahn (CDU) betroffen: Seine gut geölte Gesetzgebungsmaschine geriete ins Stocken. Und die ABDA hätte beim Poker um das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) endgültig das Nachsehen.
Nächste Woche jährt sich der spektakuläre Auftritt von Spahn vor der ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember 2018. Vor zwölf Monaten brachte der Gesundheitsminister ein 375 Millionen Euro schweres Maßnahmenpaket mit ins Berliner Hotel Maritim proArte. Damit sollte der ABDA die Abkehr vom Rx-Versandverbot schmackhaft gemacht werden. Der weitere Verlauf der Ereignisse ist bekannt. 365 Tage später steht die ABDA vor einem zerfledderten Gesetz: Kleine Teile wurden umgesetzt, aber das Rx-Boni-Verbot hängt bei der EU-Kommission in Brüssel fest. Und die Apotheken müssten einen hohen Preis zahlen. Die auf 150 Millionen Euro eingedampften pharmazeutischen Dienstleitungen gingen mit dem Ende der GroKo ebenfalls unter.
Daher wird man am Samstag auch in der ABDA-Zentrale den wenige Kilometer entfernt stattfindenden SPD-Parteitag im Auge behalten. Auch für Spahn kommt die SPD-Entwicklung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Mit 20 Gesetzen in 20 Monaten hat er es immerhin schon ins Guinnessbuch der politischen Rekorde geschafft. Ein frühzeitiges GroKo-Ende würde seinen Ambitionen im BMG allerdings ein Ende setzen. Und wichtige Punkte des Kapitels Gesundheit des Koalitionsvertrages sind noch nicht abgearbeitet: Die Ärzte warten auf die Reform ihrer Gebührenordnungen EBM für Kassen- und GOÄ für Privat-Patienten. Versprochen ist auch eine Fortsetzung der „Qualitätsoffensive für Krankenhäuser“ einschließlich dringend benötigter Investition.
Mehr noch: Eines der zentralen Themen, die Digitalisierung, warte auf ein entscheidendes Gesetz. Die Einführung der elektronischen Patientenakte ist zwar für 2021 terminiert, die wichtigen Details müssen aber noch geregelt werden. Dies war aus Datenschutzgründen aus dem kürzlich verabschiedeten Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) ausgeklammert worden. Scheitert die GroKo, gerät Spahns Digitalisierungsoffensive ins Stocken.
Auch wenn es beim SPD-Parteitag in erster Linie um die Personal- und grundsätzlichen Koalitionsfragen geht, liegt den Delegierten ein gut 1000 Seiten starkes Antragsbuch vor. Darin findet sich ein Antrag zum Thema Apotheken, ausgerechnet gestellt vom SPD-Unterbezirk Steinfurt, dessen Wahlkreis Spahn im Bundestag repräsentiert. Die Forderungen des SPD-Bezirks könnte auch von Spahn stammen: Der SPD-Unterbezirk Steinfurt fordert den „Erhalt und die Stärkung des Systems der Ladenapotheken beziehungsweise die Förderung ihrer Attraktivität, beispielsweise durch die Möglichkeit der Vornahme von Impfungen durch Apotheker oder der Ausstellung von Folgerezepten durch Apotheker, aber auch durch die Erhöhung von finanziellen Ausgleichen für Not- und Nachtdienste.“
Auch die Stärkung von PTA-Schulen schreibt sich die SPD auf ihre Fahnen ebenso wie „eine deutliche Beschleunigung der Digitalisierung/Förderung der Einführung von E-Rezepten“. Aufrechterhalten will die Steinfurter SPD die Inhaberführung, das Mehrbesitzverbot und die Preisbindung. Die Steinfurter SPD teilt die Einschätzung, dass die Vor-Ort-Apotheken „seitens der Online-Apotheken, aber auch seitens der Krankenkassen“ unter Druck geraten sind: „Das früher im recht guten Einvernehmen geführte System ist zunehmend schwieriger geworden, da der Druck seitens der Krankenkassen überproportional zugenommen hat.“ Darüber hinaus dürften ausländische Online-Apotheken Rabatte gewähren, die deutschen Apotheken vor dem Hintergrund der Preisbindung verboten seien. Und bei Bestellungen in Online-Apotheken bestehe stetig die Gefahr, „dass beispielsweise Wechselwirkungen von Medikamenten mit entsprechenden Gesundheitsgefahren nicht erkannt werden“. Vor diesem Hintergrund sei das bestehende System nicht nur erhaltens-, sondern dauerhaft schützenswert.
Solche Aussagen hat man von führenden Gesundheitspolitikern der SPD-Bundestagsfraktion lange nicht mehr gehört. Diskutieren wird der SPD-Parteitag diese Aussagen und Forderungen voraussichtlich nicht. Die Antragskommission empfiehlt die Überweisung des Antrags in die SPD-Bundestagsfraktion. Und dort führen wiederum andere das Wort.
APOTHEKE ADHOC Debatte