Regierungsbildung

GroKo ante Portas: Boni-Deckel statt Rx-Versandverbot Lothar Klein/dpa, 27.11.2017 11:11 Uhr

Berlin - 

Nur eine Woche nach der klaren Absage an die Neuauflage einer Großen Koalition (GroKo) legt sich die SPD in eine politische Steilkurve zurück in ein Bündnis mit der Union. Das Pokern um die Fortsetzung ist bereits in vollem Gange. Allen voran treibt SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach die Preise hoch: Er will die PKV abschaffen und eine Bürgerversicherung einführen. Und für die Apotheker dürfte wieder der Boni-Deckel als Ersatz für das Rx-Versandverbot aufleben.

Bewegt sich die Union in dieser Frage nicht, „haben wir keine Chance, Neuwahlen zu verhindern“, sagte Lauterbach der „Welt am Sonntag“ mit Blick auf die Bürgerversicherung. Damit liegen die Hürden für die Fortsetzung der GroKo bereits hoch, noch bevor die Verhandlungen begonnen haben. Auch bei den Apothekern dürfte die Neuauflage des Bündnisses mit der Union keine großen Hoffnungen wecken. Die Chancen auf ein Verbot des Rx-Versandhandels sind damit nicht gestiegen.

Stattdessen dürfte wieder ein beinahe schon vergessener Vorschlag aufleben: Die SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke und Sabine Dittmar hatten ein Rx-Boni-Verbot über das Sozialgesetzbuch für zunächst zwei Jahre vorgeschlagen, mit der Ausnahme von geringfügigen Werbegaben – im Gespräch war ein Limit von einem Euro. Dagegen war die ABDA noch im Sommer Sturm gelaufen. Inzwischen gibt es Stimmen, die sich damit arrangieren könnten.

Doch damit nicht genug: Die Liste der SPD-Forderungen ist lang. Es liegt ein umfassendes SPD-Rentenkonzept auf dem Tisch. Darin enthalten ist eine gesetzliche Solidarrente für Geringverdiener mit mindestens 35 Beitragsjahren. Gleichzeitig sollte das Rentenalter nicht steigen. Bei 18 bis 20 Milliarden Euro jährlich liegen die Kostenschätzungen allein für die Renten-Maßnahmen.

Darüber hinaus hatte die Partei Steuerentlastungen von mindestens 15 Milliarden Euro angekündigt – der Löwenanteil davon durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für untere und mittlere Einkommen ab dem Jahr 2020. Zugleich sollte der bisherige Spitzensteuersatz von 42 Prozent für Ledige erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro greifen und nicht wie bisher bei rund 54.000 Euro. Die SPD will eine „Reichensteuer“ einführen und sehr große Erbschaften höher besteuern.

Die CDU reagiert darauf verhalten: „Die CDU könne auch in anderen Konstellationen Verantwortung übernehmen“, twitterte Finanz-Staatssekretär Jens Spahn umgehend zurück. Bis es zu konkreten Gesprächen kommt, vergeht aber noch Zeit. Zunächst ist erneut Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Zug. Am Donnerstag hat das Staatsoberhaupt Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz zu einem gemeinsamen Gespräch gebeten. Ob dabei die Aufnahme von GroKo-Verhandlungen vereinbart wird, ist offen.

Vermutlich werden diese aber erst im neuen Jahr beginnen. Die SPD steht am 7. Dezember vor einem schwierigen Parteitag. Und in München muss die offene Führungsfrage um Seehofer geklärt werden. Das soll auf dem Parteitag eine Woche später geschehen. Und dann beginnt die politische Weihnachtspause. Auf eine schnelle GroKo-Entscheidung sollte niemand wetten.

Zumal führende Unions-Politiker die SPD bereits vor überzogenen Forderungen warnen: „Wer sich jetzt zum Scheinriesen aufbläst und sozusagen ununterbrochen fordert, was wir jetzt tun müssten, dem möchte ich sagen: Er soll's nicht übertreiben“, sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) riet zur Zurückhaltung: „Wir sind hier jetzt nicht auf dem Jahrmarkt, wo es darum geht, herauszuschreien, was man möchte und der andere schreit was anderes, sondern wir haben ja in den Sondierungen mit FDP und Grünen ja auch schon Grenzen gezeigt.“ Die rheinland-pfälzische Landesparteichefin Julia Klöckner forderte die SPD auf, von der Forderung nach einer Bürgerversicherung abzugehen. Eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung würde alle Versicherten teurer zu stehen kommen. „Wir haben in vier Wochen Weihnachten. Dennoch sollte man mit Wunschzetteln sehr realistisch umgehen.“

Am Samstag sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten in Saarbrücken, mit dem Jamaika-Aus sei eine neue Lage entstanden und stellte damit die Weichen in Richtung GroKo: „Das heißt nicht, dass wir zum Notnagel der gescheiterten Bundeskanzlerin werden.“ Und der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) meinte bei einer „Zeit“-Veranstaltung in Hamburg, nach dem Jamaika-Scheitern dürfe keiner erwarten, dass die SPD sage: „Ach super, wir haben nur darauf gewartet, dass wir jetzt eine große Koalition machen dürfen“.

Derweil scheinen die Bürger positiv auf die Aussichten der Forsetzung der GroKo zu reagieren: Die Umfragewerte von Union und SPD steigen. In einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ legte die Union um zwei Punkte auf 33 Prozent und die SPD um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Grüne und FDP verloren je einen Punkt und erreichen 10 und 9 Prozent.