Rx-Versandverbot

Gröhe: SPD, es geht um Apothekenjobs!

, Uhr aktualisiert am 18.03.2017 20:50 Uhr
Münster -

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gibt auch nach dem Veto von Wirtschafts- und Justizministerium gegen das geplante Rx-Versandverbot nicht auf. Auch er habe nach einer Lösung unterhalb des Rx-Versandverbotes gesucht, sagte Gröhe beim Westfälisch-Lippischen Apothekertag in Münster. Die gäbe es aber nicht. „Ich fordere auch die SPD auf, endlich diese vergebliche Suche einzustellen.“ 

Gröhe sagte, er sei kein „Apothekenminister“, wie es ihm der „Spiegel“ vorgeworfen hatte, sondern ein „Versichertenminister“. Dass der Koalitionspartner, der sonst Solidarität ganz groß schreibe, jetzt alle mit einer Marktradikalität überrasche, sei für ihn eine ganz neue Erfahrung, so Gröhe. „Ich wünsche mir vom SPD-geführten Wirtschaftsministerium dieselbe Leidenschaft beim Erhalt von 150.000 Arbeitsplätzen in der Apotheke wie beim Kampf um 16.000 Jobs bei Tengelmann.“

„Was sich bewährt hat, müssen wir erhalten. Die Apothekenpflicht für Arzneimittel, das Fremd- und Mehrbesitzverbot und viele andere Regelungen sind wichtige Eckpfeiler einer guten Versorgung. Wir brauchen mehr Wertschätzung von Beratung und nicht mehr Relativierung von Beratung.“ Denn Apotheker seien für viele Menschen der erste Ansprechpartner im Gesundheitswesen.

Zum EuGH-Urteil hat er eine klare Meinung: Man habe jahrelang einen Kompromiss gehabt, den Versandhandel auch mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erlauben, dafür aber mit Preisbindung für alle. „Der Versandhandel hat diesen Kompromiss aufgekündigt. Und wenn dieser aufgekündigt wird, müssen wir das machen, was 21 andere EU-Staaten bereits tun, nämlich den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, um die wohnortnahe Versorgung durch Apotheken vor Ort zu erhalten.“

An die Menschen, die sich von Boni verführen ließen oder im Internet bestellen wollten, adressierte er: „All diese Menschen wollen zugleich rund um die Uhr eine dienstbereite Apotheke in ihrer Nähe. Und es sind Millionen von Versicherten, die diesen Dienst rund um die Uhr brauchen.“ Und es sei im Sinnen eben dieser, die gewachsene Struktur der Arzneimittelversorgung vor Ort zu erhalten.

Zuvor hatte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening für ihre kämpferische Rede viel Applaus bekommen. Auch sie hatte die SPD aufgefordert, ihrer Verantwortung als Teil der Regierung endlich gerecht zu werden. „Handeln Sie jetzt, wenn Sie glaubwürdig bleiben wollen“

Overwiening appellierte an die SPD-Bundestagsfraktion, sich nicht weiter gegen den Gesetzentwurf von Gröhe zu stellen: „Auch wenn sie derzeit an Selbstbewusstsein zulegen, sind sie immer noch Teil dieser Bundesregierung, die sich dadurch auszeichnet, Probleme ernst zu nehmen. Nehmen Sie die Unterschriften von mehr als einer Million Bürgern ernst, davon über 150.000 aus Westfalen-Lippe, die uns im Rahmen einer Unterschriftenaktion in den vergangenen Wochen den Rücken gestärkt haben. Machen Sie den Weg frei für eine zügige Rückführung des Versandhandels auf den Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel!“

Overwiening zeigte sich in ihrer Rede kämpferisch und formulierte, welche Auswüchse das Urteil habe: „Wenn ein zuzahlungsbefreiter Patient bei einer ausländischen Versandapotheke ein Rezept einreicht, erhält er einen Bonus. Dieser Patient würde also nicht nur nichts für ein Medikament bezahlen, sondern zusätzlich einen geldwerten Vorteil erhalten. Damit werden zuzahlungsbefreite Patienten nicht nur komplett auf Kosten der Solidargemeinschaft versorgt – sondern sie könnten durch das Einlösen eines Kassenrezepts auch noch Geld verdienen.“

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bekräftigte ebenfalls, dass das Rx-Versandverbot noch vor der Bundestagswahl umgesetzt werden müsse. Sie verwies auf den Beschluss der Länder im Bundesrat.

Der Versandhandel habe für sie auch nichts mit „Zeitgeist“ zu tun, so Steffens: „Der Zeitgeist ist für uns kein Selbstzweck. Er kann nicht als Argument benutzt werden, um verlässliche Strukturen zu zerstören, die seit Jahrhunderten funktionieren. Wir brauchen die Apotheken. Wir brauchen keinen Zeitgeist, sondern Verlässlichkeit, Sicherheit und Wohnortnähe.“

Ihrer Meinung nach werden die Apotheken gerade in ländlichen Regionen künftig noch mehr gebraucht als heute. Steffens sprach damit ihre Forderung an, den Apotheken neue Aufgaben zu übertragen. Sie könne nicht verstehen, warum die Apotheken beim E-Health-Gesetz nicht eingebunden seien. „Der Patient sollte entscheiden, wer für ihn der Lotse sein soll.“

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