Bei der Verteilung der Ministerien ist die CDU die große Verliererin im Koalitionspoker. Das wichtige Finanzressort wurde an die SPD abgetreten, die CSU bekommt das Innenministerium. Gewinner der Umverteilung im Kabinett könnten die Apotheker sein. Und dann auch noch das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag – der 7. Februar 2018 ist fraglos für die Apotheker ein besonderer Tag. Oder besser: Er könnte einer werden. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.
Es gehört zur Dramaturgie, dass ein vergleichsweise unbedeutendes Detail auf dem politischen Basar fast ganz am Ende entschieden wurde: In der letzten Runde der GroKo-Verhandlungen hat die Union der SPD das Rx-Versandverbot abgerungen. Und die Sozialdemokraten haben nicht einmal ihre Bürgerversicherung dafür bekommen – immerhin aber eine schrittweise Angleichung der Systeme, die auch lange überfällig ist.
Fast noch wichtiger ist, dass die Schlüsselressorts an CDU und CSU gefallen sind, jedenfalls die für die Apotheker maßgeblichen. Das Gesundheitsministerium bleibt schwarz, das bislang rote Wirtschaftsministerium wechselt die Farbe. Dass der bisherige Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) das Wirtschaftsressort übernehmen soll, könnte die Honorardebatte in neue Bahnen lenken. Dem Vernehmen nach war die bisherige Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) bei der Veröffentlichung des 2hm-Gutachtens weitgehend im Alleingang unterwegs gewesen.
Sollte Hermann Gröhe (CDU) wie kolportiert Forschungsminister werden, bekämen die Apotheker Annette Widmann-Mauz (CDU) als Gesundheitsministerin. Zugegeben: Ihr Verhältnis zu den Apothekern war schon einmal besser. Als gesundheitspolitische Sprecherin stand sie in regelmäßigem Austausch mit DAV-Chef Fritz Becker. Nachdem sie als Staatssekretärin ins BMG wechselte, kühlte sich die Ländle-Connection ab, zu der auch Unionsfraktionschef Volker Kauder gezählt werden kann.
Trotzdem wäre Widmann-Mauz als Gesundheitsministerin für die Apotheker ein Sechser im Lotto, verglichen mit dem Personal, das die SPD für den Posten ins Rennen geschickt hätte. Zwar hatte die Politik- und Rechtswissenschaftlerin* vor zehn Jahren den Versandhandel in einer Stellungnahme verteidigt. Doch im Grundsatz gilt sie als Verfechterin der Versorgung vor Ort. Das hat auch mit ihrem persönlichen Hintergrund zu tun, denn ihr Heimatort Balingen im Zollernalbkreis gehört zum ländlichen Raum.
In der Debatte um das Fremd- und Mehrbesitzverbot stand sie fest gegen eine Liberalisierung. Die Gemeinwohlpflichten der Apotheken haben für sie eine besondere Bedeutung: „Rosinenpickerei ist kein fairer Wettbewerb“, sagte sie einst. Als Vorsitzende der Frauenunion könnte sie auch Frauenarbeitsplätzen in den Apotheken besondere Bedeutung schenken.
Weitere wichtige Ministerien sind an Politiker gefallen, die als Unterstützer der Apotheken vor Ort gelten. Das zum Heimatministerium aufgewertete Innenministerium geht an CSU-Chef Horst Seehofer. Zwar sind vielen älteren Kollegen die ersten Spargesetze der 90er-Jahre unter seiner Verantwortung als Gesundheitsminister noch in Erinnerung. Auch die „schöne Nacht“ mit Ulla Schmidt (SPD) im Jahr 2003 ist unvergessen: Damals ließ sich die Union breitschlagen, Versandhandel und Filialisierung zuzustimmen.
Doch mit dem Innenministerium übernimmt Seehofer nun eines jener Verfassungsressorts, die sich vor einigen Jahren unter SPD-Leitung dem im Koalitionsvertrag versprochenen Pick-up-Verbot in den Weg stellten. Das Justizministerium, das ebenfalls bei Gesetzesvorhaben angehört werden muss, bleibt zwar bei Heiko Maas und damit in SPD-Hand. Doch Maas hatte bereits vor einem Jahr signalisiert, dass er dem Rx-Versandverbot von Gröhe zustimmen würde.
Und so hat sich die Welt der Apotheker an einem Tag unerwartet aufgehellt. Die düsteren Wolken des Honorargutachtens könnten sich schnell verziehen, wenn die Union die Novelle der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) mit frischem Mut angeht. Und dass die Apotheker im Koalitionsvertrag tatsächlich ein Rx-Versandverbot versprochen bekämen, war so auch nicht zu erwarten. Damit zählt auch die ABDA-Spitze um Friedemann Schmidt zu den Gewinnern des GroKo-Pokers.
Bei aller Freude sollte die Euphorie nicht überkochen: Das Rx-Versandverbot ist perspektivisch elementar wichtig für die Apotheke vor Ort – Stichwort E-Rezept. Doch die heute schließenden Apotheken haben noch andere Probleme als die Konkurrenz des Versandhandels. Und dass die trotzdem anstehende Honorarreform alle Apotheken retten wird, ist leider nicht zu erwarten.
Vor allem aber: Noch gibt es kein Gesetz, das den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbietet. Union und FDP hatten 2009 in ihrem Koalitionsvertrag auch versprochen: „Wir werden die Auswüchse beim Versandhandel bekämpfen, indem wir die Abgabe von Arzneimitteln in den sogenannten Pick-up-Stellen verbieten.“ Und nichts ist passiert. Und selbst wenn ein Rx-Versandverbot kommt, bleibt den EU-Versendern noch der Weg nach Brüssel und Luxemburg. Vertragsverletzungsverfahren oder ein neues EuGH-Verfahren wären zu erwarten. Heute dürfen die Apotheker einen Sekt trinken, aber sie sollten die Kopfschmerztabletten bereit halten.
* Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatte es geheißen, Widmann-Mauz sei Juristin. Tatsächlich hat sie Politik- und Rechtswissenschaften studiert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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