Grippesaison 2018/19: BPI befürchtet neue Probleme Lothar Klein, 22.08.2018 11:41 Uhr
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Krankenkassen mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verpflichten, künftig die beiden preiswertesten Impfstoffe zu erstatten. Damit sollen Lieferengpässen wie in den letzten Jahren vermieden werden. Dagegen protestieren in der heutigen internen Anhörung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die Herstellerverbände: Laut Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) greift die Regelung zu kurz, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) lehnt sie komplett ab und sieht neue Versorgungsprobleme für die Grippesaison 2018/19 heraufziehen.
Der Referententwurf gehe „bei der anhaltenden Problematik in die richtige Richtung, greift aber im Sinne der Patientenversorgung zu kurz“, schreibt der BAH in seiner Stellungnahme. Klarer Wille des Gesetzgebers sei es gewesen, Versorgungsproblemen bei Impfstoffen vorzubeugen. Begründet worden sei dies mit der komplexen Herstellung der Impfstoffe und dem Angebot nur weniger Marktteilnehmer. Aus diesem Grund seien die Rabattvereinbarungen für Impfstoffe mit zwei Herstellern ab Mai 2017 gestrichen worden.
Die letzte Bundesregierung habe sich sogar die Erhöhung der Impfquote auf die Agenda geschrieben. „Auch aus diesem Grund, aber und vor allem aus Gründen der Versorgungssicherheit und -sicherstellung dieser hoch komplex und langwierig herzustellenden Stoffe dürfe es zu keinerlei gesetzlichen Beschränkungen für Impfstoff-Hersteller kommen“, fordert der BAH.
In dieselbe Richtung argumentiert der BPI: Mit der jetzt vorgeschlagenen Zwei-Hersteller-Regel „verkehrt der Gesetzgeber das AMVSG ins Gegenteil“, so der Vorsitzende Dr. Martin Zentgraf. So würden nicht Impfstoffe aller Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stehen. „Stattdessen fällt die Versorgungssicherheit im Impfstoffbereich auf einen Status zurück, den der Gesetzgeber mit dem AMVSG längst verlassen hat“, ktisisiert der BPI und fordert, Festpreisvereinbarungen und Rabattverträge für diesen Bereich komplett zu untersagen. Nur dann gelingt es, die Versorgung mit Impfstoffen ernsthaft zu sichern. Sonst werde das Ziel des Gesetzgebers, die Versorgungssicherheit durch Anbietervielfalt zu gewährleisten, aufgegeben.
Trotz der vom AMVSG-Gesetzgeber klar geäußerten Absicht, dass künftig die Impfstoffe aller Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stehen sollten, sei versäumt worden, ein generelles gesetzliches Verbot von Rabattverträgen und anderer ebenfalls exklusiv wirkender Verträge für Impfstoffe zu etablieren. Durch spezielle Vertragskonstruktionen über regionale Festpreisvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apothekerverbänden sowie nachgelagerte Kooperationsverträge hätten die hieran beteiligten Vertragsparteien eine Situation geschaffen, die der eines exklusiven Rabattvertrages gleichkomme und „die für die Versorgung mit Grippeimpfstoffen für die Saison 2018/2019 erneut ein deutliches Liefer- und Versorgungsrisiko begründet“.
Der BPI kritisiert, dass der TSVG-Entwurf kein Verbot von Festpreisvereinbarungen sowie eine Sicherstellung von Anbietervielfalt enthalte. Unberücksichtigt blieben zudem Verbote von Apotheken-Ausschreibungen sowie Open-House-Verträge, die ebenfalls zu exklusiven Situationen führen könnten und mit Open-House-Verträgen für Grippeimpfstoffe in diesem Jahr in Niedersachsen bereits versucht worden seien.
Der BPI verstehe die Regelung zudem so, dass die Preise der Hersteller mit Parallelimportzulassungen nicht zu berücksichtigen seien. Ansonsten würde dies bei allen Impfungen gemäß Schutzimpfungsrichtlinie zu deutlichen Liefer- und Versorgungsengpässen führen. Zudem interpretiere der BPI die Regelung so, dass mindestens bis zum Preis des zweitgünstigsten Herstellers erstattet werden muss.
Abgesehen davon mildere der TSVG-Vorschlag das Liefer- und Versorgungsrisiko nur bedingt. Wenn ein Hersteller ausfalle, könne der zweite Hersteller nicht den kompletten Marktbedarf kompensieren und es komme zu gefährlichen Engpässen. Es führe zudem zu einem weiteren Austreten von Anbietern aus dem Grippeimpfstoffmarkt, wenn nur zwei Anbieter zum Zuge kämen. Der BPI: „Es ist zudem nicht ersichtlich, wie diese Regelung dazu beitragen soll, dass die schlechten Impfquoten bspw. bei der Grippe-Impfung durch diese Regelung verbessert werden können.“