Umstrittene Blanko-Rezepte Julia Pradel, 30.07.2013 10:26 Uhr
Krankenkassen versuchen auf verschiedene Weisen, bei Impfstoffen zu sparen. Ein Mittel sind produktneutrale Verordnungen. In Baden-Württemberg haben Richter eine spezifische Vereinbarung und damit die Verordnungsweise „Impfstoff gegen...“ jedoch gekippt. In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind Apotheker, Ärzte und Kassen hingegen zufrieden mit ihrer Impfstoffvereinbarung und der generischen Verordnungsweise.
Im Nordosten Deutschlands gibt es seit drei Jahren eine Grippeimpfstoffvereinbarung zwischen den Apothekerverbänden, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und der AOK Nordost. Anders als in Baden-Württemberg erstreckt sich die Vereinbarung allerdings nur über Grippeimpfstoffe, und nicht über zehn verschiedene Vakzine. Außerdem gibt es im Nordosten keine Rabattverträge über Impfstoffe.
Stattdessen werden die Ärzte aufgefordert, Grippeimpfstoffe generisch zu verordnen und die Bestellungen möglichst früh abzugeben. Nachbestellungen und produktspezifische Verordnungen sollen aufs Nötigste beschränkt werden.
Da die Ärzte produktneutral verordnen, können die Apotheker mit den Herstellern günstige Preise aushandeln. Als Zwischenhändler fungiert dabei die D.S.C. Dienstleistungs-Service-Center GmbH. Das Tochterunternehmen des Berliner Apothekerverbands verhandelt mit den Herstellern. Apotheker können die Impfstoffe dann zu diesen Konditionen bei der D.S.C. kaufen oder selbst Angebote einholen.
Für die Impfstoffe erhalten die Apotheker eine Pauschale von den Kassen. Für die kommende Saison liegt diese bei 7,75 Euro. Als die Vereinbarung für die Saison 2011/2012 erstmals abgeschlossen worden war, hatte es noch 11 Euro für nicht adjuvantierte und 14 Euro für adjuvantierte Impfstoffe gegeben.Im Nordosten Deutschlands sind sich die Parteien einig: „Die AOK Nordost ist mit dem System offensichtlich – wie wir auch – in hohem Maße zufrieden“, sagt Dr. Rainer Bienfait, Vorsitzender des Berliner Apothekervereins (BAV).
In Baden-Württemberg hatte die produktneutrale Verordnungsweise hingegen zu Streit zwischen dem Apothekerverband und Ärzten sowie AOK Nordwest geführt: Problematisch ist nicht nur, dass die produktneutrale Verordnung nicht nur für Grippeimpfstoffe gilt, sondern dass die Apotheker den passenden Rabattimpfstoff anhand eines Posters heraussuchen müssen.Das Sozialgericht Stuttgart hatte Mitte Juli dem Antrag einer Apothekerin auf einstweiligen Rechtsschutz stattgegeben und entschieden, dass produktneutrale Verordnungen nicht beliefert werden müssen. In der Begründung des Gerichts heißt es, die Verordnungsweise „Impfstoff gegen...“ verstoße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) und die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV).
Im Nordosten will man trotzdem an der bewährten Grippeimpfstoffvereinbarung festhalten: BAV-Geschäftsführer Friedrich-Wilhelm Wagner betont, dass es in dem Fall vor dem Sozialgericht Stuttgart darum gegangen sei, dass die Apotheker den Rabattimpfstoff anhand eines Poster auswählen müssten. „Damit handelt es sich bei der verhandelten Thematik um einen gänzlich anderen Sachverhalt als er durch die Grippeimpfstoffvereinbarung zwischen der AOK Nordost und dem BAV gegeben ist“, so Wagner.„Wir werden erstmal ganz ruhig bleiben. Gerichte entscheiden immer unterschiedlich“, sagte Dr. Andrea Lorenz, Vorsitzende des Apothekerverbands Brandenburg. „Wir sehen primär keinen Handlungsbedarf“, findet auch Thomas Müller, stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern. Die Apotheker haben bereits Ende Februar ihre Bestellungen aufgegeben, in etwa einem Monat sollen die Impfstoffe geliefert werden.