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Grippeimpfstoff: GSK bringt Apothekervertrag zu Fall

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Berlin -

GlaxoSmithKline (GSK) hat geschafft, was Sanofi verwehrt blieb: Der Pharmakonzern hat die Impfstoffvereinbarung zwischen dem Berliner Apotheker-Verein (BAV) und der AOK Nordost zu Fall gebracht. Die zweite Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt erklärte ihn vergangene Woche für ungültig. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; legt die AOK Nordost Beschwerde ein, geht der Fall vor das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG).

Zwar stellte die Vergabekammer klar, dass sie Impfstoff-Ausschreibungen grundsätzlich für zulässig hält – obwohl diese 2017 mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) gestrichen wurden – sie kam jedoch zu dem Schluss, dass die Vereinbarung die Ärzte in ihrer Verschreibungspraxis lenkt. Denn bei einer generischen Verordnung kommt wegen der Regularien fast zwangsläufig der Mylan-Impfstoff Influvac Tetra zum Einsatz, „da sie [die Apotheken, Anm.d.Red.] ansonsten nicht nur keine Marge erzielen würden, sondern die Impfstoffe unterhalb ihrer eigenen Kosten abgeben müssten“, so GSK vor Gericht, das dieser Argumentation folgte.

Da es sich bei dem Vertrag zwischen AOK Nordost und den Apothekern um einen öffentlichen Auftrag handele, sei hier das Vergaberecht einschlägig, so das Gericht. Für den quadrivalenten Impfstoff ist in der Vereinbarung pro Dosis ein Betrag von 10,95 Euro plus Mehrwertsteuer vorgesehen. Kümmert sich eine Apotheke in Eigenregie um die Beschaffung eines Grippeimpfstoffs, muss sie selbst zusehen, dass sie kostendeckend arbeiten kann. Die beiden verfügbaren quadrivalenten Impfstoffe Vaxigrip tetra (Sanofi) und Influsplit tetra (GSK) haben einen Listenpreis von 13,11 Euro pro Dosis in der Zehnerpackung – also deutlich mehr, als mit der AOK Nordost vereinbart wurde.

Eine Lenkungswirkung hin zum günstigsten Produkt sei zwar durchaus legitim und diene dem Gemeinwohl, indem es helfe, die finanzielle Stabilität des GKV-Systems sicherzustellen. Das dürfe jedoch nur auf der Grundlage eines vergaberechtlich korrekten Verfahrens geschehen – was in dem Fall nicht vorliege. Der „Vergabefehler“ liege darin, dass in einer Situation, in der nicht alle Marktteilnehmer an der Liefervereinbarung beteiligt waren, diese eine Lenkung auf das Produkt auslöst und „damit eine indirekte Auswahlentscheidung trifft, was einem öffentlichen Auftrag gleichkommt, ohne Vergaberecht angewandt zu haben“, erläutert die Kammer und beschließt: „Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht wird der Antragsgegnerin (...) aufgegeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.“

Dafür haben die Richter drei Alternativen zum jetzigen Vorgehen in den Raum gestellt: Eine Möglichkeit wäre ein Vergabeverfahren mit den Apothekern als Ausschreibungsadressaten, ein anderes ein Vergabeverfahren den Herstellern gegenüber. Das widerspricht zwar dem Willen des Gesetzgebers, der die sozialrechtliche Norm gestrichen hat, die das regelte. Das bedeute aber nicht automatisch ein Ausschreibungsverbot den Herstellern gegenüber. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Open-House-Verfahren. So wird die Versorgung mit quadrivalentem Grippeimpfstoff beispielsweise in Niedersachsen geregelt.

Der BPI, der von Anfang an gegen die Vereinbarung mobil gemacht hat, zeigt sich zufrieden mit dem Urteil. „Wir sehen uns in unserer massiven Kritik an den Impfstoffvereinbarungen der AOK-Nordost bestätigt“, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Norbert Gerbsch. Er fordert nun weitere rechtliche Schritte: „Der Gesetzgeber muss dringend klarstellen, dass Ausschreibungsmodelle seinen Zielen einer stabilen Impfstoffversorgung und einer hohen Impfquote widersprechen.“ Noch ist es aber nicht so weit, eine etwaige Beschwerde der AOK Nordost gegen das Urteil hätte eine aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Es werden also noch einige Wochen ins Land ziehen, bevor eine endgültige Entscheidung gefallen ist.

Anfang April erst lag der BPI mit der AOK Nordost wegen seiner Kritik im Clinch. In einer Pressemitteilung hatte er der Kassen eine „Versorgungssteuerung durch die Hintertür“ vorgeworfen, mit der sie „sehenden Auges Versorgungsengpässe für die Patienten“ riskiere. Das ging der AOK zu weit. Sie mahnte den Verband ab, der sich jedoch weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Am Ende entschied das Landgericht Berlin zugunsten des BPI.

Doch damit war der Streit längst nicht beendet. Auch Sanofi versuchte, die Vereinbarung mit einem Eilantrag vor dem Sozialgericht Frankfurt zu Fall zu bringen – vergebens. Der französische Konzern argumentierte ähnlich wie GSK: Die Vereinbarung führe zu einem De-Facto-Monopol für Influvac Tetra von Mylan, da die Ärzte durch die Festpreisvereinbarung zu Wirkstoffverordnungen angehalten werden. Da Grippeimpfstoffe nicht wirkstoffgleich und damit nicht substituierbar seien, führe die Regelung dazu, dass die Apotheken aus Kostengründen lediglich die Vakzine von Mylan abgeben. Das Gericht erklärte sich jedoch für nicht zuständig und verwies auf die GSK-Beschwerde bei der Vergabekammer. Die ist der Argumentation nun gefolgt.

Die Impfstoffvereinbarung in Berlin existiert bereits seit 2011 und funktioniert wie folgt: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fordert die Mediziner auf, Grippeimpfstoffe generisch zu verordnen und die Bestellungen möglichst früh in einer Apotheke ihrer Wahl abzugeben. Überlässt die Praxis ihrem Lieferanten die Auswahl des Impfstoffs, gilt ein zwischen den Vertragspartnern vereinbarter Festpreis pro Impfdosis.

Der BAV wiederum schließt über seine Tochterfirma D.S.C. Verträge mit den Herstellern. Der frühzeitige Auftragseingang ermöglicht es den Firmen, ihre Produktion entsprechend dem Bedarf zu planen; in den vergangenen Jahren lief das Procedere sogar schon im Januar. Die Apotheken profitieren wiederum von günstigen Konditionen.

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