Google-Deal: Spahn windet sich heraus Tobias Lau, 26.01.2021 08:47 Uhr
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vermeidet es, zum Google-Deal seines Hausherrn Jens Spahn (CDU) klar Stellung zu beziehen. Im November hatte Spahn bekanntgegeben, dass es zwischen dem BMG und dem Suchmaschinenriesen eine Zusammenarbeit gibt: Die Inhalte des Nationalen Gesundheitsportals (NGP) werden demnach gegenüber anderen Medienangeboten bevorzugt angezeigt und in einem eigenen Info-Kasten hervorgehoben. Auf Nachfrage der FDP hat das Ministerium nun dementiert, dass es dazu einen Vertrag gebe – und stillschweigend die damalige Bekanntmachung von seiner Internetpräsenz verschwinden lassen.
„Den Eindruck, er habe etwas zu verbergen, muss Minister Spahn schnellstens ausräumen“, fordert FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg. Er hatte federführend eine parlamentarische Anfrage zu Spahns Google-Deal vom November gestellt und überraschende Antworten erhalten. Die FDP-Bundestagsfraktion wollte wissen, wie der Deal aussieht und was er den Steuerzahler kostet. Doch das BMG dementiert, dass es einen solchen Deal überhaupt gibt – und hat seine Worte offensichtlich besonders fein gewählt. „Zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und Google gibt es keine vertragliche Beziehung“, so Spahns Haus. „Es gibt weder schriftlich noch mündlich eine Vereinbarung, die das Bundesministerium für Gesundheit oder Google verpflichtet.“
Stattdessen sei Google „jederzeit frei, die Informationen aus dem Nationalen Gesundheitsportal nicht mehr zu nutzen und stattdessen die Informationen anderer Portale in die sogenannte Infobox einzustellen“. Dementsprechend erhalte Google keinerlei Zahlungen durch das BMG. „Wie dargelegt besteht auch sonst kein Dienstleistungsverhältnis.“ Kein Vertrag, keine Verpflichtung, keine Zahlungen also. Entsprechend übergeht das BMG auch die Frage, von wem die Initiative für den Vertrag ausgegangen ist und wie er zustande kam – es gibt ja offenbar gar keinen Vertrag.
„Dazu passt nicht, dass der Minister noch im November 2020 gemeinsam mit Google-Europachef Philipp Justus auf der Bühne stand und die gemeinsame Zusammenarbeit lobte“, merkt Schinneburg an. „Dazu passt auch nicht, dass Google suchmaschinenoptimierte Inhalte zur Verfügung gestellt werden.“ Tatsächlich ist es nicht abwegig, dass die Zusammenarbeit auf einer reinen Abmachung per Handschlag beruht – das BMG dementiert lediglich, dass es Verpflichtungen für eine der beiden Seiten gebe. Begriffe wie Zusammenarbeit oder Kooperation umschifft es in seiner Antwort. Dann stellt sich allerdings die Frage: Warum spielt das BMG nicht mit offenen Karten, sondern lässt stattdessen stillschweigend die dazugehörige Pressemitteilung von seiner Internetseite verschwinden? Das mache misstrauisch, sagt Schinnenburg.
Auch die Vorwürfe, in den freien Pressemarkt einzugreifen, weist das BMG von sich – mit einer bemerkenswerten Begründung. „Weder das Nationale Gesundheitsportal selbst noch die Wiedergabe seiner Inhalte in Internetsuchmaschinen berühren den privatwirtschaftlichen Pressemarkt“, heißt es in der Antwort. Es sei nämlich kein presserechtliches Erzeugnis und biete keine journalistisch gestalteten Beiträge, sondern lediglich Inhalte, die „eng begrenzt auf objektive Gesundheitsinformationen“ seien. Ein Blick auf das Portal zeigt allerdings, wie weit das BMG den Begriff dehnt: Bei Krankheitsthemen mag die Aussage noch unbenommen bleiben, doch bei den Themen des Ressorts „Gesundheit Digital“ – vom E-Rezept bis zur Telematikinfrastruktur – ist „objektiv“ für das verordnende Ministerium mindestens ein großes Wort.
„BMG startet Zusammenarbeit mit Google“, hatte das Ministerium am 10. November verkündet. „Mit dem Nationalen Gesundheitsportal wollen wir Bürgerinnen und Bürger auch jenseits von Corona zu Fragen rund um ihre Gesundheit informieren. Dabei hilft die Zusammenarbeit mit Google“, so Spahn damals. „Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit haben wir bereits in den vergangenen Monaten zusammengearbeitet, um Menschen jederzeit schnell und einfach aktuelle und verifizierte Informationen zum Coronavirus bereitzustellen. Diese wertvolle Zusammenarbeit erweitern wir nun auf zahlreiche weitere Gesundheitsthemen“, legte Google-Europachef Philipp Justus nach.
Damit zog das BMG heftige Kritik auf sich. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) zeigte sich empört. „Schon dass ein Bundesministerium überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und ein unannehmbarer Eingriff in den freien Pressemarkt, der sich nach wirtschaftlichen Grundsätzen finanzieren muss“, erklärte VDZ-präsident Thiemann. „Nun aber lässt das Bundesgesundheitsministerium seine Gesundheitsberichterstattung auch noch durch das Quasi-Suchmonopol an allen Verlagsangeboten vorbei privilegiert verbreiten. Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit.“
Matthias Döpfner, Springer-Chef und Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), stimmte ein und sprach von einem „ordnungspolitischen Tabubruch“. Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig Holstein beließ es nicht bei Worten und leitete noch im Dezember ein medienrechtliches Verwaltungsverfahren ein, bei dem geprüft wird, ob durch die prominente Darstellung des Gesundheitsportals bei einer Google-Suche andere journalistisch-redaktionelle Angebote aus dem Themenbereich Gesundheit diskriminiert werden.
Selbst der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) kritisierte das Portal: „Sofern eine zentrale Gesundheitsinformation vorgenommen wird, müssen die Angebote ohne Bewertung oder Lenkung bereitgestellt werden, um das Vertrauensverhältnis zwischen den Heilberufen und den Patientinnen und Patienten nicht zu beeinflussen“, so Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz. Das staatliche Engagement dürfe zudem weder eine privilegierte Marktposition für bestimmte Anbieter oder Dienstleister schaffen, noch die wirtschaftlichen Bedingungen für die privatwirtschaftlichen Unternehmungen gefährden und zugleich die öffentlichen Kassen belasten. Die Kooperation mit Google sei daher „kritisch zu betrachten“.