Kassen: Gröhe bestraft die Falschen dpa/APOTHEKE ADHOC, 25.12.2015 10:50 Uhr
Der GKV-Spitzenverband hat an die Bundesregierung appelliert, bei weiteren Verzögerungen der elektronischen Gesundheitskarte nicht die Falschen zu bestrafen. Derzeit seien ganz offensichtlich die beteiligten Unternehmen nicht in der Lage, die hoch komplexe Technik fristgerecht zu liefern, sagte die Vorstandschefin Dr. Doris Pfeiffer.
GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigungen (KBV/KZBV) könnten nicht für etwas bestraft werden, was sie in keiner Weise beeinflussen könnten. Das Problem sei, dass Kassen- und (Zahn-)Ärzteverbände ihre gesetzlichen Aufgaben nicht mehr vollständig wahrnehmen könnten, wenn die Sanktionen 2017 griffen und deren Haushalte gekürzt würden. „Am Ende der Sanktionskette würden die Versicherten und die Beitragszahler anstelle der Industrie büßen, und das wäre ganz sicher falsch“, erläuterte Pfeiffer.
Nach jahrelangen Verzögerungen hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit seinem zum 1. Januar in Kraft tretenden E-Health-Gesetz zur schnelleren Einführung der IT-Kommunikation im Gesundheitswesen klare Fristen für die einzelnen Entwicklungsstufen gesetzt. Bei Verstoß drohen Sanktionen.
Offenbar drohen wegen Lieferschwierigkeiten bei den Herstellern Fristverzögerungen von mehr als einem halben Jahr bis zum Frühjahr 2017. Gröhe versicherte hingegen, der sogenannte Online-Roll-Out könne nach jetzigem Stand noch 2016 beginnen.
Pfeiffer sagte, sie nehme der Industrie ab, dass sie fieberhaft an der Technik arbeite. „Sie haben objektiv Schwierigkeiten. Alle haben die Komplexität dieses Projektes unterschätzt, einschließlich der Industrie.“ Das hänge auch mit den Anforderungen an die Daten-Sicherheit zusammen, denn die notwendigen Komponenten müssten vollkommen neu entwickelt werden.
Der Bundestag hatte das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen bereits Anfang Dezember in zweiter und dritter Lesung beschlossen.Der Bundesrat winkte das Gesetz kurz vor Weihnachten ebenfalls durch.
Mit dem E-Health-Gesetz soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen angekurbelt werden. Unter anderem sollen Patienten, die regelmäßig mindestens drei Arzneimittel einnehmen, ab Oktober 2016 Anspruch auf einen Medikationsplan haben. Der soll zunächst in Papierform ausgestellt, künftig aber auch auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert werden. Erstellt werden die Pläne von den Ärzten, die Apotheker müssen auf Wunsch des Patienten Aktualisierungen vornehmen.
Auch die Telemedizin soll mit dem Gesetz gefördert werden. Ärzte sollen künftig Videosprechstunden und die Beurteilung von Röntgenaufnahmen aus der Ferne abrechnen können. Außerdem werden Mediziner verpflichtet, eine Software zu nutzen, die ihnen die Rabattverträge auf aktuellem Stand anzeigt.
Im E-Health-Gesetz wird ein Zeitfenster für für die Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) festgelegt: Bis Mitte 2018 sollen Ärzte und Kliniken flächendeckend an die TI angeschlossen sein. Bis dahin soll auch die erste Online-Anwendung der eGK, das Stammdatenmanagement, eingeführt werden. Ärzte, die sich dann nicht an der Online-Prüfung der Stammdaten beteiligen, müssen mit Sanktionen rechnen. Ärzte, die sich schon vorher um einen elektronischen Heilberufsausweis bemühen und damit online Arztbriefe verschicken, werden hingegen gefördert. Für das Jahr 2017 sollen sie eine Anschubfinanzierung erhalten.
Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen für die elektronische Patientenakte und ein Patientenfach geschaffen werden, auf das Patienten mit ihrer eGK auch außerhalb der Arztpraxis zugreifen können. Dort sollen sie eigene Daten hinterlegen dürfen, etwa ein Tagebuch über Blutdruckmessungen oder Daten von Fitnessarmbändern. Patienten sollen selbst darüber entscheiden dürfen, welche medizinischen Daten auf der eGK gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf.
Schließlich wird die Gematik mit dem E-Health-Gesetz verpflichtet, bis Mitte 2017 ein Interoperabilitätsverzeichnis zu erstellen. Damit soll sichergestellt werden, dass verschiedene IT-Systeme miteinander kommunizieren und sinnvoll Anwendungen in die Fläche getragen werden können. Neue Anwendungen sollen nur noch dann mit Mitteln der Krankenkassen finanziert werden, wenn sie kompatibel sind.